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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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sich wie auf der Jagd nach Futter. «Ein eigenartiger Effekt, nicht?»
    «In der Tat!», staunte Alexander. «Wie hat dieser Pescatore das hinbekommen?»
    «Das fragt sich die Fachwelt auch. Leider ist keines seiner Schöpfsiebe erhalten geblieben. Alle Versuche, die Herstellung des Zeichens zu rekonstruieren, sind gescheitert. Wer den Effekt nachahmen will, muss die Zeichnung zwangsläufig verändern, dem Maul neue Linien hinzufügen. Das ist bei dem Wasserzeichen auf diesen Blättern nicht geschehen. Es stammt eindeutig aus der Werkstatt von Bonizo Pescatore.»
    «Gut, das Papier ist also echt», sagte Alexander. «Aber trifft das auch für die Schrift zu?»
    «Vorbehaltlich einer chemischen Analyse, die Sie gleich wieder einfordern werden, würde ich das bejahen. Schreibweise und Stil sprechen absolut dafür.»
    «Der Stil? Aber …»
    «Ich kann lesen, Herr Rosin», sagte der Professor auf Deutsch.
    «Ich beherrsche die deutsche Sprache recht gut.»
    Alexander erntete einen halb belustigten, halb triumphierenden Blick von Elena, der ihm zu sagen schien, dass der Professor noch mehr Überraschungen in petto habe.
    «Haben Sie Zeit und Lust, das Buch zu lesen, Professor?», frage Alexander. «Es würde mich sehr interessieren, was Sie von den Aufzeichnungen meines Urahns halten.»
    Elena war sichtlich überrascht, und die Augen des Professors leuchteten auf wie die eines Kindes, das am Geburtstag vor seinem Gabentisch steht.
    «Ich würde mich glücklich schätzen», versicherte er. «Eine unbekannte Quelle aus der Zeit der Liga von Cognac! Es gibt Wissenschafter, die dafür einen Finger opfern würden.»
    «Lesen Sie es einfach», sagte Alexander.
    Er stand auf und trat vor die Haustür. Der Regen hatte nachgelassen. Nur noch vereinzelte Tropfen fielen zur Erde; das Wolkenmonster, das sie ausspuckte, hing so dicht und schwer über Rom, als wollte es die Stadt nie mehr aus seinen feuchten, wabernden Klauen lassen. Alexanders Blick wanderte weiter zu dem großen Bronzeengel auf der Rotunde, der ihm den Rücken zukehrte und über den Tiber mit der Engelsbrücke blickte. Mit seinem vorgeneigten Haupt sah Erzengel Michael müde aus, als könne er der Wolkenlast, die auf seine Schultern drückte, kaum noch standhalten. Seine halb ausgebreiteten Flügel wirkten wie ein letztes, hilfloses Aufbäumen gegen das Verhängnis, das unaufhaltsam vom Himmel niederkam.
    Eine unerwartete Berührung ließ Alexander zusammenfahren.
    Als er sich umdrehte und Elena sah, atmete er erleichtert auf und schämte sich seiner Schreckhaftigkeit. Ihre Hand lag noch auf seiner Schulter und er empfand Dankbarkeit dafür. Eine unerklärliche Kraft strömte von ihr aus. Vielleicht war es einfach nur das Wissen, nicht allein zu sein, das ihn stärkte. Und in manchen Augenblicken glaubte er zu spüren, dass sie ähnlich empfand wie er.
    «Ich wollte dich nicht erschrecken», sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.
    «Nicht du hast mich erschreckt, sondern das da.» Er zeigte nach oben, zum düsteren Himmel über der Rotunde.
    «Der Engel?»
    «Nein, das Ungeheuer. Die Wolken.»
    Jetzt verstand sie. «Glaubst du an das, was Borghesi dir erzählt hat?»
    «Wäre er noch am Leben, würde ich jetzt vielleicht lachen.
    Aber sein Tod ist sein bester Bürge.»
    «Vielleicht kann der Professor Licht in diese finstere Angelegenheit bringen. Er ist mit dem Lesen fertig. Du hast ihm damit einen großen Gefallen erwiesen.»
    «Er tut mir einen großen Gefallen», erwiderte Alexander, als er sich umwandte, um Elena in die Küche zu folgen.
    Bevor er die Haustür schloss, warf er einen letzten zweifelnden Blick gen Himmel. Er hatte nicht bemerkt, wie lange er hier draußen gestanden hatte. Als hätte eine unbekannte Macht die Zeit aufgehoben.
    «Phantastisch, das ist phantastisch!» Mit diesen Worten empfing ihn der Professor, das Buch wie einen Schatz in Händen haltend.
    «Freut mich, dass es Sie so begeistert, Professor. Aber halten Sie es immer noch für echt?»
    «Absolut. Vieles fügt sich ins Bild der offiziellen Geschichtsschreibung. Und wo das nicht zutrifft, passt es zu den weniger bekannten Fakten mit denen ich mich seit langem beschäftige.
    Außerdem – eine so irre Geschichte kann sich niemand ausdenken!»
    «Also …» Alexander schluckte und setzte erneut an: «Sie halten das für den authentischen Erlebnisbericht meines Vorfahren Albert Rosin?»
    «Das würde ich jederzeit beeiden.»
    «Aber die vielen Unglaubwürdigkeiten», widersprach

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