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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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Zeit, ein starkes weltweites Netzwerk aufzubauen.»
    «Alles mit dem Ziel, die Macht der Kirche zu stärken?», fragte Alexander ungläubig.
    «Mit diesem Ziel wurde der Orden gegründet; heute wird das vielschichtiger sein. Trotz aller vorgeblichen Selbstaufgabe sind die Mitglieder von Totus Tuus auch nur Menschen. Manch einer wird die Mitgliedschaft angestrebt haben, um seine persönlichen Pläne effektiver voranzutreiben. Es ist wohl wie in jeder großen Vereinigung. Die Organisation benutzt ihre Mitglieder, und die Mitglieder hoffen, ihren Nutzen aus dem Zusammenschluss zu ziehen. Welches oberste Ziel Totus Tuus heute verfolgt, habe selbst ich trotz aller Bemühungen noch nicht herausgefunden.»
    « Selbst du nicht? Was heißt das?»
    Elena leerte ihr noch halb volles Glas in einem Zug, so hastig, dass ein roter Chiantitropfen über ihr Kinn lief. Es sah aus wie Blut. Oder wie eine Träne. Sie stand auf und streifte ihr blaues Shirt über den Kopf. Darunter trug sie ein eng anliegendes weißes Bustier, das etwa drei Finger breit über dem Bauchnabel endete.
    Alexander bekam einen trockenen Mund, der geradezu ausdörrte, als Elena begann, die Spaghettiträger von ihren Schultern zu streifen, Natürlich begehrte er sie. Voller Erregung sah er zu, wie sie das Bustier über ihre Brüste nach unten schob, bis zum Bauchnabel, so dass es wie ein handbreiter Gürtel um ihre Jeans lag.

    Er unterdrückte den Impuls, die Hände nach dem verlockenden straffen Fleisch auszustrecken. Elenas Gesichtsausdruck hielt ihn ab. Ihre ernsten Züge strahlten nichts Einladendes aus, zeigten weder Lust noch Scham. Beinahe wirkte sie abwesend.
    Langsam drehte sie sich um und wandte ihm den Rücken zu.
    Einen Rücken, der mit langen dünnen Narben übersät war. Ein Netzwerk durchlittener Schmerzen.
    Jetzt war Alexanders Kehle trocken wie die Sahara, aber nicht vor Lust. Seine Erregung hatte sich in Bestürzung verwandelt.
    Mit einem Krächzen fragte er: «Woher … stammt das?»
    «Aus einer Zeit, als es Elena Vida noch nicht gab. Damals hieß ich Paolina Orfei, doch meistens wurde ich Schwester Paolina genannt.»
    « Totus tuus, Domine. Hic iacet pulvis, cinis et nihil. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. »
    Die am Ende verknoteten Lederriemen beißen scharf in Paolinas Fleisch, doch sie nimmt den Schmerz nur unterschwellig wahr. Ihre weit aufgerissenen Augen sind fest auf das zwei Meter hohe Kruzifix vor ihr gerichtet, als suche sie Trost im Anblick des Gekreuzigten. Nackt kniet sie auf dem kalten, rauen Stein und schwingt die Geißel, regelmäßig wie ein Roboter. Wenn der Schmerz doch einmal deutlicher wird, verstärkt sie ihre Konzentration. Sie muss es aushalten! Nicht dem Erlöser zu Gefallen, der doch nur Schmerzen bringt, sondern für sich selbst.
    Nur der größte Schmerz kann sie von ihrer Qual erlösen.
    Eine kalte Stimme dringt durch die Monotonie ihres Bußspruches und des klatschenden Leders: «Es ist gut, Paolina.
    Der Herr sieht mit Wohlgefallen, welch große Pein du für ihn erträgst.»
    Paolina lässt die zum nächsten Schlag erhobene Geißel sinken und dreht sich um. Schräg hinter ihr steht Mutter Assunta, die Oberin des Mädchenhorts zu Gottes großer Gnade. In ihrem engen schwarzen Kleid sieht sie aus wie ein dunkler Engel, ein Wesen der Finsternis. Die Züge ihres alterslosen Gesichts sind scharf. Niemals in all den Jahren hat Paolina die Oberin auch nur einmal gütig lächeln sehen, nie hat in Mutter Assuntas Stimme auch nur ein Hauch von Wärme und Mitgefühl mitgeschwungen. Die Oberin scheint kalt und tot wie der schmucklose Stein, aus dem das Waisenhaus in den östlichen Ausläufern der Abruzzen erbaut ist.
    «Reinige deine Geißel, den Boden und dich selbst», befiehlt die Oberin mit jener Stimme, die im selben Tonfall die größte Strafe oder kleine Vergünstigung aussprechen kann. «Und dann komm in mein Büro.»
    Sie dreht sich um und schwebt aus der kleinen, schmucklosen Bußkapelle wie ein böser Traum, der sich beim Erwachen verflüchtigt.
    Eine Viertelstunde später steht Paolina in dem mit religiösen Gemälden und einem silberglänzenden Kruzifix geschmückten Büro der Mutter Oberin. Sie trägt das knöchellange dunkelblaue Kleid, das alle Mädchen hier anhaben. Darunter schauen weiße Kniestrümpfe und flache schwarze Schuhe hervor. Ihr langes dunkles Haar hat sie vorschriftsmäßig zu einem Zopf geflochten.
    Vollkommen still steht sie da. Die Hände liegen, wie bei einem Soldaten, an den

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