Der Engelspapst
Verbindung zwischen den beiden Anschlägen dürften nicht unberechtigt sein.»
«Ganz bestimmt nicht», stieß Alexander hervor und lachte zynisch. Ein neuerlicher Hustenanfall schüttelte ihn. Bittersüßer Blutgeschmack füllte seinen Mund. Er würgte den Auswurf in sein ehemals weißes Taschentuch, das jetzt dunkelrot war.
«Gleich haben wir es geschafft», erklärte Donati, ohne ihn anzusehen. «Dann erhalten Sie ärztliche Hilfe.»
«Wo? Im Polizeikrankenhaus?»
«Nein.»
Der Tempra ruckelte über einen unbefestigten Weg, der von Bäumen und Büschen gesäumt wurde. Vom Regen herabgerissenes Astwerk zerbarst unter den Rädern. Donati bremste und hielt schließlich vor einem drei Meter hohen Eisentor. Zu beiden Seiten des geschlossenen Tores erstreckte sich eine nicht minder hohe Steinmauer, die mit Stacheldraht und Glasscherben bewehrt war. Ein Schild neben dem Tor verkündete: Clinica Privata. Professore R. Orlandi.
Eine Privatklinik. Donati hatte offenbar nicht zu viel versprochen. Weshalb der Polizist ihm, dem gesuchten Attentäter, bei der Flucht half, anstatt ihn festzunehmen, blieb Alexander allerdings ein Rätsel.
Der Commissario hämmerte auf seine Hupe ein. Ein Wachmann kam aus seinem Häuschen jenseits der Mauer, sah kurz zu dem Wagen und betätigte einen verborgenen Schalter.
Das Tor glitt zur Seite und verschwand in der Mauer. Als der Fiat durch die Einfahrt rollte, bemerkte Alexander eine an der Mauer installierte Videokamera, die ihren Weg verfolgte.
Der Wachmann, der eine einfache dunkle Uniform und darüber ein Regencape trug, winkte, was Donati mit einem knappen Nicken quittierte. Das Tor glitt zurück in seine alte Position. Der Tempra fuhr um eine buschbewachsene Biegung, und die Mauer, die mehr an ein Gefängnis als an eine Klinik erinnerte, verschwand aus Alexanders Blickfeld.
«Was für eine Klinik ist das?», fragte er. «Was wird hier behandelt?»
«Alles Mögliche.»
«Meinen Sie nicht, dass Sie mir eine Erklärung schulden?», versetzte Alexander säuerlich.
«Dafür, dass ich Sie gerettet habe?»
«Zum Beispiel. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Commissario, aber ich glaube nicht, dass Ihre Handlungsweise mit Ihren dienstlichen Pflichten in Einklang steht.»
«Es gibt höherrangige Pflichten», sagte Donati.
Er schien die Unterhaltung mit dieser geheimnisvollen Äußerung als beendet anzusehen. Stumm lenkte er den Wagen durch einen verlassenen Park. Alexander fühlte sich an eine der Villen erinnert, die mit ihren weitläufigen Grünanlagen einst vom Renaissance-Adel als Lustschlösser errichtet worden waren und heute den Bürgern Roms Entspannung und Erholung boten.
Nur dass diese Anlage der Öffentlichkeit zweifellos nicht zugänglich war. An Rosenhecken, großen Springbrunnen und antiken Statuen vorbei ging es zu einem imposanten vierstöckigen Renaissancebau.
Donati hielt auf einem unbefestigten Vorplatz. Mehrere Fahrzeuge parkten da rund um eine Statue von Jupiter Fulgur, dem Gott des Blitzes. Die alte Himmelsgottheit schien nur auf ihre Ankunft gewartet zu haben. Grell fuhr ein Blitzstrahl aus den Wolken und beleuchtete die Statue, die drohend einen stilisierten Blitz in der Hand hielt. Das untere Ende des Marmorblitzes war abgebrochen, und Jupiter fehlte das halbe Gesicht, was Alexander schmerzlich an den niedergeschossenen Aldo Tessari erinnerte. Dem Blitz folgte dumpfes Donnern und das zerfetzte Gesicht versank im Dämmer dieses lichtlosen Tages.
Über aufgeweichten Schlammboden liefen sie zum zweiflügeligen Hauptportal. Ein Dreiecksgiebel, der auf Säulen nach ionischem Vorbild ruhte, schützte den Eingangsbereich vor dem Regen. Als Alexander sich umblickte, sah er direkt in eine Überwachungskamera.
Ein Torflügel schwang auf. Eine blonde Frau in eng sitzender Schwesterntracht bat sie herein und musterte Alexander besorgt.
«Sie sehen aber gar nicht gut aus, Signore.»
«Ihm geht’s auch gar nicht gut, Ilaria», ahmte Donati ihren fürsorglichen Tonfall nach. «Wäre gut, wenn der Professor sich Signor Rosin ansehen könnte. Ich muss den Wagen in die Garage fahren. Vielleicht ist er schon zur Fahndung ausgeschrieben.»
«Ich werde den Professor verständigen und mich um Signor Rosin kümmern», versprach Schwester Ilaria mit einem verheißungsvollen Lächeln.
Donati wandte sich wortlos um und hinkte wieder in den Regen hinaus.
Was für eine Klinik dies auch sein mochte, unter anderen Umständen hätte Alexander sich hier mit Freuden einweisen lassen.
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