Der Engelspapst
wenn ich die Reliquie zu ihm bringe?»
«Die Medien werden davon erfahren», schnaubte der Kardinalprotodiakon. «Wir machen uns lächerlich!»
«Geistliche der heiligen römischen Kirche machen sich lächerlich, wenn sie die Reliquie eines Heiligen benutzen?», fragte Shafqat. «Wie kann das möglich sein, Eure Eminenz?»
Musolino machte eine beschwichtigende Handbewegung gegenüber Tamberlani, der kurz vor einem cholerischen Anfall stand, und sagte: «Lassen wir Don Shafqat gewähren. Er hat ganz Recht, wir sollten über den Hohn der Medien erhaben sein.
Außerdem soll man uns nicht nachsagen, wir hätten irgendetwas unversucht gelassen, um Papst Custos zu retten. Die Medizin hat ihre Chance gehabt, legen wir das Schicksal des Pontifex also mit der Kraft und Gefasstheit unseres Glaubens in Gottes Hand.»
Einige der Anwesenden grinsten unverfroren. In Gottes Hand.
Ein paar gaben durch Gesten zu erkennen, dass sie Shafqat für einen Spinner hielten. Ein Sekretär der Apostolischen Kammer führte ein unsichtbares Glas zum Mund, woraufhin einige in der Runde über den irischen Trunkenbold kicherten.
Von all dem unbeeindruckt, trat Ovasius Shafqat mit der schwarzen Hand zum Krankenbett. Jetzt würde sich erweisen, ob Jean-Pierre Gardien den richtigen Mann zu seinem Privatsekretär erwählt hatte. Und ob Shafqats Kraft, sein Glaube, stark genug war.
Trotz seiner Sorge um Elena und der Trauer um den Papst fühlte Alexander sich etwas besser, als er Schwester Ilaria durch mehrere Gänge und über eine breite Steintreppe mit kunstvoll verziertem Geländer ins oberste Stockwerk folgte. Er sah weder andere Schwestern noch Patienten. An ein Krankenhaus erinnerte hier nichts als Ilarias weiße Tracht, die sich über ihren verführerischen Formen spannte. Zweimal hörte er undeutliche Stimmen hinter verschlossenen Türen.
Er hoffte, gleich mehr über dieses Haus und die hier versammelten Menschen zu erfahren; Donati und Orlandi hatten es ihm zugesagt. Er hatte geduscht und das zweite Frühstück, das Ilaria ihm brachte, brav verzehrt. Seine Entschuldigung hatte sie mit einem verständnisvollen Lächeln akzeptiert. Das taube Gefühl in seinem Gesicht wich allmählich, und seine Lebensgeister erstarkten. In den frischen Kleidern, die Ilaria ihm gebracht hatte, hätte er sich ganz normal gefühlt, wäre nicht der Verband um sein Gesicht gewesen.
Sie führte ihn in einen Salon, dessen altertümliche Ausstattung hundert Jahre alt sein musste. Hinter den Rauchschwaden, die das riesige Zimmer durchzogen, entdeckte er klobiges Mobiliar und protzige Ölschinken. Drei Männer saßen um einen runden Tisch und rauchten, was das Zeug hielt. Donati zog an einem halb heruntergebrannten Zigarillo, Orlandi an einer abgegriffenen Bruyereholzpfeife, und der dritte Mann, der in einem ledergebundenen Buch las, hatte sich eine filterlose Zigarette zwischen die Lippen geklemmt. Ihn hatte Alexander hier nicht erwartet.
«Setzen Sie sich zu uns, Signor Rosin», sagte Orlandi. «Bei einer Parlamentärspfeife und einem Glas Feuerwasser lässt sich’s besser reden.»
«Danke nein, ich bin praktizierender Nichtraucher», entgegnete Alexander und starrte noch immer ungläubig auf den Mann mit dem Buch.
Der erwiderte seinen Blick durch große, dicke Brillengläser und sagte auf Deutsch: «Guten Tag, Herr Rosin. Schade, dass wir uns unter solchen Umständen wieder sehen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich meine Freunde mit dem Inhalt dieses Buches vertraut gemacht habe.»
«Ihre Freunde?» Alexander setzte sich in einen der ausladenden Clubsessel und musterte Remigio Solbelli skeptisch. «Ich glaube, jetzt sind ein paar Erklärungen fällig.»
«Verständlich, dass Sie Fragen haben», sagte der Privatgelehrte jetzt auf Italienisch. «Doch zunächst müssen Sie uns ein paar Antworten geben.»
Alexander versteifte sich, er war das Rätselraten leid. «Nicht ein Wort bekommen Sie von mir zu hören, wenn Sie mir nicht Rede und Antwort stehen.»
Donati rutschte unwillig in seinem Sessel herum. «Ich habe Sie vor Ihren Gardekameraden gerettet und Professor Orlandi hat Ihre Nase zusammengeflickt. Dafür schulden Sie uns die Bereitschaft zu kooperieren, Rosin.»
«Wenn Sie das glauben, machen Sie sich mit dem Gedanken vertraut, dass Sie an einen höchst zahlungsunwilligen Schuldner geraten sind.»
«Aber bitte, meine Herren, so kommen wir nicht weiter.»
Orlandi fuchtelte mit seiner Pfeife herum wie ein Dirigent mit seinem Stab, als
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