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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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nicht vorhersehen können, wie schwierig es sein würde, sich unter der Erde zu orientieren. Gelang es Shafqat nicht, ihnen entgegenzukommen, sollte er auf sie warten, um sie zum Papst zu führen.
    Der enge Gang, in den der untere Treppenabsatz mündete, war nur schwach beleuchtet. Mehrere Türen zu beiden Seiten, nummeriert mit römischen Zahlen, waren verschlossen. Er zog den Dietrich, mit dem er schon die Nebentür im Palast geöffnet hatte, unter der Soutane hervor.
    Ein metallisches Klirren drang an seine Ohren, gerade als er den Nachschlüssel ins Schloss der ersten Tür stecken wollte.

    Das Geräusch kam von der Wendeltreppe, wo er die schattenhaften Umrisse eines Mannes erspähte. Wieder ertönte das helle Scheppern, als etwas gegen das Treppengeländer stieß.
    Vergebens sah er sich nach einer Deckung um. Sein Herz schlug schneller, sein Atem rasselte wie zuvor, als das Verlangen nach Alkohol ihn fast übermannt hatte. Es gab nur eine Möglichkeit, sich zu verstecken: die Abstellräume.
    In fieberhafter Eile versuchte er die Tür zu öffnen, die mit der Ziffer I gekennzeichnet war. Seine schweißnasse Hand zitterte.
    Der Dietrich entglitt ihm und fiel in eine mit Werkzeugen gefüllte Plastikkiste. Das klirrende Geräusch, viel leiser als das auf der Treppe, klang in Shafqats Ohren wie ein Trompetenstoß.
    Er bückte sich, griff in die Werkzeugkiste des Wartungsdienstes und durchwühlte sie, bis er den Nachschlüssel endlich fand. Als er sich wieder aufrichtete, stand der andere Mann nur drei Schritte vor ihm. Er trug die blaugraue Dienstuniform der Schweizergarde. Das große Barett überschattete sein Gesicht.
    Die rechte Hand des Schweizers fuhr zur linken Hüfte, und Shafqat erkannte, was da klirrend gegen das Treppengeländer gestoßen war: das Schwert des Gardisten. Er zog es aus der Scheide und erhob es wie zum Schlag. Dabei fiel das Licht aus einer der kleinen Deckenlampen auf die Klinge, und der tödliche Stahl blitzte auf.

    Blitze in glühenden Farben flammten im Licht der Handscheinwerfer auf. Funkelnde Edelsteine schmückten die Wände, zu mannsgroßen religiösen Symbolen zusammengefügt, ganz wie die Katzennärrin es beschrieben hatte. Die Wände waren so überreich verziert, dass bloßes Felsgestein kaum zu erkennen war. Die Männer kniffen die Augen zu, so ungewohnt, ja schmerzhaft war das überirdische Aufblitzen bei jedem noch so kleinen Schwenk der Scheinwerfer.

    Vor Alexander erstrahlte, eingefasst von einem rubinroten Kreis, auf saphirblauem Untergrund ein rubinrotes Kreuz, und gleich daneben sah er ein rubinrotes Dreieck mit saphirblauer Innenfläche. Beide Zeichen waren Symbole der Dreifaltigkeit.
    Als er den Kopf wandte, erblickte er ein Meer aus Saphiren, aus dem ihn ein großer Smaragdfisch, Zeichen des getauften Christen, mit seinem Amethystauge anblinzelte.
    Die Katzennärrin hatte beide Male, als sie in der Edelsteinkapelle gewesen war, Kerzen brennen sehen. Ihr Licht war verlöscht, aber es roch nach Feuer und Wachs. Vermutlich hatte die Druckwelle der Explosion die Flammen erstickt.
    Die eigenartige Kapelle wäre Grund genug gewesen, von Spannung und Aufregung erfüllt zu sein. Aber Alexander fühlte sich eher erleichtert, so als habe die Sprengung einen Felsblock von seiner Brust gerollt. Die ganze Zeit über hatte er sich gefragt, was geschehen würde, wenn sie Wachen aus dem Zirkel der Zwölf in der Kapelle antrafen. Er hatte keine Angst vor einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Wovor er sich fürchtete, war eine Begegnung mit seinem Vater. Als er eingewilligt hatte, den Auserwählten zu helfen, war er seinem Gewissen gefolgt. Auge in Auge mit seinem Vater würde sich erweisen, ob die Stimme des Blutes stärker war. Bei aller Erleichterung wusste er doch, dass die Entscheidung nur aufgeschoben, nicht aufgehoben war.
    Bislang hatten die Männer überwältigt geschwiegen. Jetzt sagte Orlandi: «Da ist es!»
    Sein Scheinwerfer beleuchtete einen Holzkasten auf dem Altar. In ihrer Schlichtheit schien die Schatulle nicht an diesen Ort zu gehören. Doch sie alle wussten, dass ihr Inhalt wertvoller war als sämtliche leuchtenden Edelsteine an den Wänden.
    Ganz langsam, als fürchte er, durch übergroße Hast einen geheimen Zauber zu zerstören, ging Orlandi zum Altar und legte seinen Scheinwerfer auf die Steinplatte. Ehrfürchtig tastete er den Kasten ab. Sein Blick war verklärt.

    Donati trat näher. «Auch wenn die Electi Jahrhunderte auf diesen Augenblick gewartet haben –

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