Der Engelspapst
wir sollten uns beeilen. Wir haben in dieser Nacht noch einiges vor uns.»
Orlandi nickte. «Sie haben Recht, Bruder Donati. Ich kann es nur kaum fassen. Es fällt mir unsagbar schwer, mich schon wieder von diesem Smaragd zu trennen.»
«Noch wissen wir nicht, ob er überhaupt in dem Kasten ist», entgegnete der Commissario.
Orlandi wollte den Deckel hochklappen, aber der war durch drei Schlösser gesichert. Donati zog eine Brechstange aus seinem Rucksack und reichte sie dem Professor. Schon beim zweiten Versuch hebelte Orlandi den Kasten auf. Langsam öffnete er den Deckel und sah hinein.
Seltsamerweise fühlte sich keiner der anderen gedrängt, ihm über die Schulter zu blicken. Als sei allein Orlandi befugt, den Stein zu betrachten.
«Er ist es!» Orlandi klappte den Deckel wieder zu. «Die Wahre Ähnlichkeit Christi! »
«Damit wäre Punkt eins unseres Plans nahezu erledigt», sagte Donati in einem geschäftsmäßigen Ton, der nichts mit Orlandis Ergriffenheit gemeinsam hatte. «Jetzt bist du an der Reihe, Silvio.»
Einer der drei jüngeren Männer trat vor und verstaute den Holzkasten in seinem Rucksack. Er sollte zu den Tempelruinen zurückkehren und die Beute mit dem Lieferwagen, mit dem sie gekommen waren, in Sicherheit bringen. Als Silvio durch das Sprengloch kroch und im Dunkel dahinter verschwand, fragte Alexander sich, ob er den geheimnisvollen Smaragd jemals zu Gesicht bekommen würde.
Der Schweizer trat einen Schritt vor, ins Lichtfeld einer Deckenlampe, sodass Shafqat sein Gesicht sehen konnte. Es war ein breites Gesicht, genau passend zu dem großen, kräftigen Mann, der seine Uniform mit jeder Bewegung zu sprengen schien. Was Shafqat erschreckte, war der kalte und feindselige Ausdruck. Ein Blick genügte, um zu begreifen, dass der Gardist zum Töten bereit war. Und als Shafqat sich an den Namen des Mannes erinnerte, wurde ihm klar, dass es sich hier nicht um einen Routinewachgang handelte. Der Gardist gehörte zum Zirkel der Zwölf. Entweder hatte er ihn verfolgt, oder er kontrollierte den Zugang zu den Stollen.
«Haben Sie sich verlaufen, Don Shafqat?», fragte der Soldat in einem Italienisch, das ebenso unbeholfen klang wie das des irischen Geistlichen.
«Ja, so ähnlich», antwortete Shafqat, fieberhaft nach einer glaubhaften Ausrede suchend.
«Warum wollen Sie diese Tür öffnen?»
«Ich dachte, es könnte eine Abkürzung sein.» Als er es aussprach, wusste Shafqat auch schon, wie absurd es sich anhörte.
«Eine Abkürzung wohin, Monsignore?»
«Nach draußen natürlich.»
Der Gardist zeigte mit dem Daumen über seine breite Schulter.
«Da hätten Sie besser die Treppe genommen, über die Sie auch gekommen sind.»
«Das sollte ich wohl», murmelte Shafqat und wollte sich an dem anderen vorbeischleichen.
Der verstellte ihm mit einem schnellen Schritt zur Seite den Weg– «Augenblick mal, Don Shafqat. Sie tragen da einen Dietrich bei sich, nicht wahr?»
«Ja», antwortete der Ire, da er es schlecht leugnen konnte.
«Warum?»
«Das geht Sie nichts an, Adjutant. Lassen Sie mich jetzt durch!»
Shafqat bemühte sich, die Autorität geltend zu machen, die dem Privatsekretär des Papstes zukam. Ein Adjutant der Schweizergarde hätte davon unter normalen Umständen mehr als beeindruckt sein müssen. Doch der Gardist zeigte sich ungerührt. Es war offensichtlich, dass kein Argument und kein Befehl ihn dazu bringen konnte, Shafqat aus der Mausefalle zu lassen, in die er sich selbst begeben hatte.
«Sagen Sie mir jetzt die Wahrheit, Monsignore! Was haben Sie hier unten gesucht?»
Wut stieg in Shafqat hoch. Wut auf die Verschwörer, die sich aufführten, als gehöre der Vatikan ihnen. Selbst wenn es so war
– er wollte nicht klein beigeben und sagte gepresst: «Ich suche die Männer, die für den Anschlag auf Papst Custos verantwortlich sind.»
Der Gardist nahm die Herausforderung an. Er sprang vor, und der erhobene Schwertarm sauste nach unten. Shafqat hatte damit gerechnet und wich zur Seite aus. Er hoffte immer noch, an seinem Gegner vorbeizukommen und ihm zu entwischen. Einen Kampf Mann gegen Mann konnte er, unbewaffnet und mit nur einem gesunden Arm, kaum gewinnen. Auch wenn er vor vielen Jahren ein guter Boxer gewesen war und es in seiner Heimatstadt Killarney bis zum Jugendmeister im Schwergewicht gebracht hatte.
Sein Plan schien aufzugehen. Der Gardist wurde vom Schwung des eigenen Angriffs mitgerissen. Shafqat lief an ihm vorbei, stolperte aber über den Werkzeugkasten
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