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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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des Guardiknechts
    Albert Rosin aus Zürich über die
    merkwürdigen Ereignisse, deren Zeuge
    er zu Zeiten der Heiligen Liga von
    Cognac in Rom und andernorts wurde
    Dessen erster Teil
    Benvenuto Cellini, dieser eingebildete Narr von einem Goldschmied, trägt die Schuld an dem ganzen Unglück. Wäre er nicht mit seinen Schießkünsten so vorwitzig gewesen, hätte das Schlimmste verhindert werden können, das glaube ich sicher.
    Ohne den hitzköpfigen Florentiner wäre Tausenden von Menschen der qualvolle Tod, wäre etlichen Kaufleuten und Bankherren der Raub ihrer sämtlichen Habe, wäre unbescholtenen Jungfrauen der gewaltsame Verlust ihres allerhöchsten Gutes und wäre Rom, der Mutter aller Städte, die unbändige Verwüstung und Ausplünderung erspart geblieben.
    Elender, hochnäsiger Cellini!
    Doch sollte ich diesen Bericht, der die bekannten Ereignisse von der Plünderung Roms verknüpft mit solchen Vorkommnissen, die nur wenige Eingeweihte bezeugen könnten, etwas früher beginnen, nämlich am fünften Mai Anno Domini 1527, als der heilige Tag des Herrn die langen Abendschatten über Rom sah – und vor seinen Toren die endlosen Heerschlangen des zerlumpten Söldnerpacks, das zum Sturm auf die Ewige Stadt rüstete.
    Begonnen hatte das Unglück mit dem unaufhaltsamen, verheerenden Marsch gen Rom jenes gewaltigen kaiserlichen Heeres, das entstanden war, als sich zu Beginn des Februars Frundsbergs deutsche Landsknechte bei Piacenza mit den italienischen und mehrheitlich spanischen Söldnern des heimatlosen Herzogs von Bourbon vereinigten. Kaiser Karl hatte den mächtigen Haufen von mehr als zwanzigtausend wüsten Reisläufern ausgesandt, um die Heilige Liga von Cognac zu bezwingen. So nannte sich das Bündnis, zu dem sich unser allergnädigster Papst Clemens VII. mit dem allerchristlichsten König Franz von Frankreich, mit dem Herzog von Mailand, mit Florenz und mit der Republik Venedig aus Sorge um den Frieden in der Christenheit und die Freiheit der italienischen Länder zusammengetan hatte. Das war ein Jahr vor jenem unheilvollen Sonntag gewesen, an dem das feindliche Heer vor Rom erschien.
    Ich, der Zürcher Albert Rosin aus des Heiligen Vaters treuer Schweizer Leibwache, stand an jenem Sonntagabend nebst meinen Kameraden auf den Mauern des Vatikans und sah mit zunehmender Sorge, wie die Neronischen Wiesen sich mit den Kaiserlichen füllten. Selten hat man solch einen abgezehrten, zerrissenen Haufen erblickt. Kaum ein Mann, dessen Kleidung heil, dessen Rüstung vollständig war. Viele gingen barhäuptig, nur das verfilzte Haar über den hageren Gesichtern, deren vor Mordlust und Raubgier verblendete Augen gierig zu uns herüberstarrten. Mit ein wenig Erleichterung nahmen wir zur Kenntnis, dass der deutsch-spanische Heerhaufen weder schweres Geschütz noch Belagerungsgerät mit sich führte. All das hatten die Landsknechte, die schon seit langem ihres Soldes harrten, wie unsere Kundschafter bereits berichtet hatten, zurück nach Ferrara geschickt, um möglichst schnell nach Rom zu gelangen, das sie reich an Schätzen und schwach an Verteidigern wähnten.
    Zu Recht!
    Ohne den Heiligen Vater eines Fehlers zeihen zu wollen, ist der Gedanke wohl nicht falsch, dass er unklug handelte, als er die zweitausend Recken des Giovanni dalle Bande und eine gleiche Zahl Eidgenossen aus seinen Diensten entließ. War es ihm wirklich so schwer gefallen wie dem stets mittellosen Kaiser Karl, den Sold aufzubringen? Jetzt fehlten uns die Männer wie einem Blinden das Licht.
    Als die Kaiserlichen näher und näher gegen Rom vorrückten, hob der Papst eiligst Milizen aus und bat die Reichen und Edelblütigen um ihre Hilfe bei der Verteidigung der Stadt. Viele schickten ihre Bewaffneten nur zögerlich oder gar nicht, weil sie ängstlich waren und es vorzogen, sich im Schutz der Wachen in ihren Palästen zu verschanzen, einer zwanzigtausendköpfigen Feindesschar standen drei- oder viertausend schlecht gerüstete Verteidiger gegenüber. Und wir Schweizer Guardiknechte, stolze wenige 189 Mann.
    Die Sonne sank draußen an der Tibermündung ins Tyrrhenische Meer, müde des Anblicks immer neuer Heerscharen, die Rom wie eine lebendige Mauer umschlossen.
    Unterhändler des Herzogs von Bourbon ließen neue Hoffnung aufkeimen, dass Rom verschont werden möge. Ich stand neben dem geöffneten Tor, durch das sie zum Apostolischen Palast ritten. Unter den Hauptleuten bemerkte ich eine Gestalt, die vom Kopf bis zu den Füßen in einen dunklen

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