Der Engelspapst
geschehen, Donati hatte etwas getrunken, und deshalb hatte seine Frau sich ans Steuer gesetzt.
Er war noch nicht ganz eingestiegen, als sie den Zündschlüssel herumdrehte – und den Zünder der Bombe auslöste. Allein aus diesem Grund war er am Leben geblieben.
«Eine schreckliche Geschichte. Man sollte nicht glauben, dass Menschen zu so etwas fähig sind.»
Die junge Frau, die vor Alexander stand, war sehr attraktiv.
Das kurz geschnittene dunkle, fast schwarze Haar, die ausgeprägten Wangenknochen und die dunkle Färbung der Haut verliehen ihr ein südländisches Aussehen. Das Gesicht kam Alexander bekannt vor, aber er konnte es nicht einordnen. Die Frau wirkte außerordentlich groß, was an den hohen Absätzen ihrer schwarzen Pantoletten liegen mochte.
Ihre langen, schlanken Beine steckten in engen schwarz-grauen Nadelstreifenjeans. Über dem hautengen pinkfarbenen Top trug sie einen zur Hose passenden Jeansblazer.
«Reichlich voll hier.» Sie warf einen verzweifelten Blick über die gut besetzten Tische. «Bei Ihnen ist nicht zufällig noch ein Platz frei?»
«Zufällig doch.» Alexander lächelte und fand es plötzlich gar nicht mehr bedauerlich, dass Utz sich verspätete. «Möchten Sie was trinken?»
«Gern. Eine Cola, bitte.»
Alexander rief es der Bedienung hinter dem Tresen zu.
«Ich heiße Elena.»
«Alexander.»
«Ihr Name klingt so wenig italienisch wie Ihre Aussprache.
Gehören Sie zur Schweizergarde?»
Er lachte. «Sind Sie Hellseherin?»
Sie lachte auch. «Nein, nur mittelmäßig intelligent. Der Vatikan ist bloß einen Steinwurf entfernt. Ihr Alter und Ihr Haarschnitt, dazu Ihr Name und Ihr, Verzeihung, etwas gebrochenes Italienisch.»
Die Bedienung brachte die Cola, und der Fernsehmoderator berichtete, das heutige Attentat sei nach dem Sicherheitsunterricht für Angehörige der Schweizergarde verübt worden.
Elenas Augen weiteten sich. «Tatsächlich? Waren Sie etwa dabei?»
Alexander nickte.
«Und? Wie ist es gewesen?»
«Nicht schön.»
Weiter sagte er nichts, um klarzustellen, dass ihm das Thema nicht behagte.
Sie reagierte sofort. «Ich wollte nicht zu neugierig sein. Sprechen wir von etwas anderem. Wie wird man Schweizergardist?»
«Sie kämen nicht in Frage.»
«Weil ich eine Frau bin?»
«Ja. Außerdem sprechen Sie zu gut Italienisch und sind, wenn Sie Ihre Schuhe ausziehen, etwas zu klein für den Job.»
«Das heißt was?»
«Nur Schweizer können Schweizergardisten werden.»
«Klar, ist ja nicht die Fremdenlegion. Und weiter?»
«Voraussetzungen sind beste Gesundheit und eine Mindestgröße von einsvierundsiebzig. Ein Gardist muss seinen Militärdienst bei der Schweizer Armee abgeleistet haben. Er muss römisch-katholisch sein und die mittlere Reife oder eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie einen untadeligen Ruf vorweisen.»
«Der letzte Punkt klingt lustig. Wie macht man das?»
«Man geht zu seinem Pfarrer und lässt sich den untadeligen Ruf schriftlich bestätigen.»
«Natürlich. Und weiter braucht es keine Voraussetzungen?»
«Ein Gardist muss ledig und darf nicht schwul sein.»
In Elenas grünen Augen blitzte es auf. «Das sind zwei besonders interessante Punkte, finde ich.»
«Die Kurie sieht das genauso.»
Wieder lachten sie beide. Alexander genoss es. Zum ersten Mal seit der Mordnacht fühlte er so etwas wie Normalität.
Einmal nicht an Heinrich und Juliette denken, einfach nur unbeschwert sein, mit einer Frau lachen. Noch dazu mit einer, die ihm ausnehmend gefiel.
Deshalb war er, als Utz hinter Elena auftauchte, ganz und gar nicht begeistert. Verwirrt beobachtete er, wie Utz die Frau unsanft an der Schulter packte und vom Stuhl hochriss.
«Was suchen Sie hier?», fuhr Utz sie an. «Lassen Sie uns in Ruhe!»
Sein Griff war so fest, dass Elena vor Schmerz das Gesicht verzog. Alexander sprang auf und stieß Utz von ihr weg. Die Bedienung und die übrigen Gäste starrten verwundert zu ihnen herüber.
«Bist du verrückt geworden, Utz?»
«Nein, du, dass du dieser Schnüfflerin Auskunft gibst!»
«Schnüfflerin?»
«Hat sie dir nicht gesagt, dass sie Journalistin ist?»
Plötzlich wusste Alexander, wo er Elena schon gesehen hatte.
Sie war die Vatikanistin, die Monsignore Wetter-Dietz auf der Pressekonferenz nach dem Einbruch in der Waffenkammer gefragt hatte.
«Ich muss mich schon wieder entschuldigen», sagte sie nun.
«Ich hätte gleich mit der Wahrheit rausrücken sollen. Ich heiße Elena Vida und bin Redakteurin beim
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