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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
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den dichten Ring aus schreienden und klatschenden Menschen und wurden Zeugen eines Schauspiels, wie es vor zweitausend Jahren in der Arena des flavischen Amphitheaters wohl unzählige Male stattgefunden hatte.

    Auf dem freien Platz, den die begeisterten Zuschauer umringten, kämpften zwei muskulöse Männer in der spärlichen Kleidung antiker Gladiatoren mit Speer und Schild gegeneinander. Die schweißglänzenden Oberkörper waren nackt, breite Ledergürtel um die Hüften hielten die kurzen Hosen zusammen. Über den in Sandalen steckenden Füßen bedeckten Beinschützer aus Eisen die Unterschenkel bis hinauf zu den Knien. Die Oberschenkel waren ungeschützt. Den nackten linken Arm bedeckte ein kleiner Rundschild, der rechte Arm war mit Lederbandagen umwickelt, und die Hand hielt den Speer. Beide Männer trugen einen goldglänzenden Helm mit geschlossenem Visier, sodass die Gesichter vor Verletzungen geschützt und vor den Zuschauern verborgen waren. Der Helm des einen Gladiators war oben mit der metallischen Nachbildung eines Fisches verziert, der des anderen mit einem violetten Federbusch.
    Die schnellen, kräftigen Bewegungen ließen, ebenso wie das Keuchen und Stöhnen, darauf schließen, dass die Gladiatoren dem Publikum einen möglichst realistischen Eindruck bieten wollten. Als Alexander die vielen kleinen blutigen Schrammen bemerkte, kamen ihm Zweifel, ob es sich wirklich nur um einen Schaukampf handelte.
    Elena stand bei einem kahlköpfigen Mann im feinen Zwirn, der mit einer großen Sonnenbrille demonstrierte, dass ihn die Wolken am Himmel nicht beeindruckten. Sie steckte ihm etwas zu. Alexander fragte sie danach, als sie zu ihm zurückkehrte.
    «Ich habe ein hübsches Sümmchen gewettet.»
    «Auf wen?»
    «Auf den da!»
    Elena zeigte auf den Gladiator mit dem Federbusch. Der wirbelte seinen Speer in einer rasanten Attacke derart herum, dass sein Gegner nicht wusste, wohin er schauen sollte.
    «Heißt das, es ist ein echter Kampf?», rief er aus.

    «Schon, aber natürlich nicht auf Leben und Tod.» Elena setzte ein bezauberndes Unschuldslächeln auf. «Er währt, bis einer der beiden aufgibt.»
    «Ist so ein Kampf erlaubt?»
    Sie blickte ihn tadelnd an. «Ach, Alex, man könnte glauben, du bist erst seit gestern in Rom.»
    Nachdem er den anderen Gladiator völlig aus dem Konzept gebracht hatte, änderte Elenas Favorit seine Taktik der schnellen Bewegungen. Von einer Sekunde auf die andere blieb er mit leicht gespreizten Beinen stehen und stieß dem Gegner das stumpfe Speerende in den Magen. Der Getroffene stöhnte laut auf, kippte nach vorn und fiel bäuchlings in das zertretene Gras.
    Der Helm rutschte ihm vom Kopf und enthüllte ein vollbärtiges, mit Schweißperlen überzogenes Gesicht.
    Der Gegner stand über ihm und bedrohte ihn mit der Speerspitze, bis der Vollbärtige mit missmutiger Miene eine Hand hob, wobei er Daumen und Zeigefinger ausstreckte. Das Zeichen der Kapitulation.
    «Gewonnen!», jubelte Elena. «Ich habe gewonnen!»
    Und schon stürzte sie auf den Mann mit der Sonnenbrille zu, um ihren Gewinn einzustreichen.
    Der siegreiche Gladiator, von allen Seiten beglückwünscht, nahm seinen Helm ab und trat auf Elena und Alexander zu.
    «Er?», entfuhr es Alexander. «Warum tut er das?»
    «Das ist sein Spleen», sagte Elena. «Außerdem beteiligen die Buchmacher den Sieger am Umsatz.»
    Der Mann mit dem starren Victor-Mature-Gesicht zeigte zwei Reihen perlweißer Zähne. «Ave, Freunde, der Todgeweihte grüßt euch.»
    «Glückwunsch, mein Todgeweihter», lachte Elena. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn auf den Mund.

    Während sie stadtauswärts fuhren, hockte Alexander schweigend auf dem Beifahrersitz und dachte an den muskulösen Mann in der Gladiatorentracht. Sein Bild vermischte sich mit dem eines anderen, ebenfalls kräftigen Mannes, dessen Gesicht von einer schwarzen Biwakmütze verhüllt war – wie das des Gladiators von seinem Helmvisier. Beide Männer waren unerhört geschickt im Umgang mit alten Stangenwaffen. Der eine hatte es vor zehn Tagen mit einer Hellebarde in der Waffenkammer der Garde gezeigt, der andere vorhin mit dem Gladiatorenspeer am Kolosseum. Hatte sich unter der Biwakmütze dasselbe Gesicht verborgen wie hinter dem goldglänzenden Visier?
    Wenn das so war, stand Alexander vor einem weiteren Rätsel: Der Mann, der ihn in der Waffenkammer fast umgebracht hätte, war nach Raffaela Sinis Tod bei der Polizei als sein

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