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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gesehen.«
    Kuroyi schien nicht überrascht. »Wir Gartengeborenen haben uns mit diesen Stätten befasst, lange bevor die Familien sich voneinander trennten. Wie wir haben auch die Hikeda’ya immer wieder versucht, sich die Macht dort zu unterwerfen, aber sie ist so wild und unberechenbar wie der Wind.«
    Eolair überlegte. »Also gibt es hier in Naglimund keinen Meisterzeugen, aber vielleicht eines dieser … dieser Jenseitshäuser? Ich kann mir die Worte in Eurer Zunge nicht merken.«
    Jiriki warf seiner Mutter einen Blick zu, lächelte und nickte, fast, als sei er stolz auf etwas. Eolair war plötzlich verärgert – bedeutete es denn eine solche Überraschung für die Sithi, wenn ein Sterblicher seine eigenen Schlüsse zog?
    »Ein A-Genay’asu. Ja, das glauben wir«, antwortete Kuroyi.
    »Aber der Gedanke kam uns erst spät, und wir hatten keine Möglichkeit, es herauszufinden, bevor die Sterblichen kamen.«
    »Die Sterblichen mit ihren eisernen Dornen.« Likimeyas weiche Stimme war wie das Zischen vor einem Peitschenschlag. Überrascht von ihrer Heftigkeit sah Eolair auf und richtete dann ebenso rasch wieder den Blick auf Kuroyis gelassenere Züge.
    »Sowohl Zida’ya als auch Hikeda’ya suchten diesen Ort auch weiterhin auf, nachdem die Menschen ihre Burg Naglimund schon gebaut hatten«, fuhr der schwarzhaarige Sitha fort. »Unsere Anwesenheit machte ihnen Angst, obwohl sie uns nur bei Mondlicht und auch dann nur selten bemerkten. Der Mann, den die Imperatoren als Herrscher über die Gegend eingesetzt hatten, spickte die Felder ringsum mit dem Eisen, das der Burg ihren Namen gab: Nagelfeste.«
    »Ich wusste, dass die Nägel dazu dienen sollten, die Friedlichen – so nennen wir Hernystiri Euer Volk – fernzuhalten«, sagte Eolair. »Aber da die Burg zu einer Zeit errichtet wurde, als Euer Volk und das unsere in Frieden lebten, konnte ich nie verstehen, wozu eine solche Befestigung nötig war.«
    »Aeswides, der Mann, der die Nägel anbringen ließ, schämte sich vielleicht, weil er unbefugt in unser Land eingedrungen war und seine Burg so nah an unsere Stadt Da’ai Chikiza heranbaute, die jenseits der Berge dort liegt.« Kuroyi deutete nach Osten. »Vielleicht fürchtete er, wir würden eines Tages kommen und uns den Ort wiederholen. Vielleicht hielt er die Angehörigen unseres Volkes, die noch immer hierherpilgerten, für Spione. Wer kann das heute noch wissen! Jedenfalls verließ er immer seltener seine Tore und starb schließlich als Einsiedler. Zuletzt, so sagt man, hat er selbst sein eigenes, scharf bewachtes Zimmer nicht mehr verlassen, aus lauter Grauen vor dem, was die gefürchteten Unsterblichen ihm antun könnten.« Kuroyis kühles Lächeln kehrte zurück. »Es ist seltsam – obwohl doch die Welt von schrecklichen Dingen wimmelt, scheinen die Menschen immer nach neuen Sorgen zu suchen.«
    »Und dabei die alten nicht aufzugeben.« Eolair erwiderte das Lächeln des hochgewachsenen Sitha. »Denn wie beim Schnitt eines Mantels wissen wir, dass das Erprobte und Wahre auf die Dauer das Beste ist. Aber wahrscheinlich habt Ihr mich nicht nur hierhergebracht, um mir zu erzählen, was irgendein längst verstorbener Mann getan hat.«
    »Nein, das haben wir nicht«, bestätigte Kuroyi. »Aber weil wir zu einer Zeit aus diesem Land vertrieben wurden, als wir es für klüger hielten, nicht einzugreifen und die Sterblichen bauen zu lassen, wosie es wünschten, haben wir noch immer Fragen, die nicht beantwortet sind.«
    »Und die Antworten brauchen wir jetzt, Graf Eolair«, unterbrach Likimeya. »Darum sagt uns: Dieser Ort, den Ihr Naglimund nennt – kennt man ihn bei den Sterblichen als Schauplatz ungewöhnlicher Vorgänge? Erscheinungen? Unerklärlicher Ereignisse? Gilt er als Treffpunkt von Totengeistern?«
    Der Graf zog die Stirn in Falten und dachte nach. »Ich muss sagen, dass ich davon nie gehört habe. Es gibt viele, viele andere Orte, einige davon nur eine Meile von meinem Geburtsort entfernt, über die ich Euch eine ganze Nacht lang derartige Geschichten erzählen könnte. Aber nicht Naglimund. Dabei hatte Prinz Josua immer etwas für wunderliche Dinge übrig – ich bin sicher, wenn es solche Sagen gegeben hätte, wäre es ihm eine Freude gewesen, uns davon zu berichten.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Es tut mir leid, dass Ihr mir so viele und ausführliche Angaben machen musstet und nun so wenig dabei herauskommt.«
    »Wir halten es trotzdem für wahrscheinlich, dass hier ein A-Genay’asu

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