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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ist«, meinte Jiriki. »Wir glaubten das schon lange, bevor Asu’a fiel. Hier, Graf Eolair, Ihr seht durstig aus. Lasst mich Euch einschenken.«
    Dankbar nahm der Hernystiri einen weiteren Becher von dem gewürzten Getränk … was immer es war … entgegen. Es schmeckte nach Blumen und wärmte angenehm sein Inneres. Er nahm ein paar kleine Schlucke und fragte dann: »Aber wenn es nun so wäre – was würde es bedeuten, wenn Naglimund zu diesen Orten gehörte?«
    »Wir wissen es nicht genau. Das ist eines der Dinge, die uns beunruhigen.« Jiriki setzte sich Eolair gegenüber und hob die schmale Hand. »Wir hatten gehofft, die Hikeda’ya wären nur hierhergekommen, um ihren Teil des Pakts mit Elias zu erfüllen, und dann geblieben, um Naglimund als Weghaus zwischen Sturmspitze und der Burg, die sich über den Gebeinen von Asu’a erhebt, zu nutzen.«
    »Aber das glaubt Ihr nicht mehr.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Nein. Unsere Vettern haben zu hart gekämpft, weit über den Zeitpunkt hinaus, an dem ihnen der Widerstand noch einen Vorteilgebracht hätte. Dies ist nicht der Entscheidungskampf. Sosehr auch Utuk’ku Grund haben mag, uns zu hassen, sie handelt nicht in blinder Wut. Nie würde sie das Leben so vieler Wolkenkinder wegwerfen, um eine nutzlose Ruine zu behaupten.«
    Eolair wusste nicht viel über die Nornenkönigin, aber das wenige, was er gehört hatte, ließ ihn erschauern. »Aber was will sie dann? Was wollen die Nornen?«
    Jiriki schüttelte den Kopf. »Sie wollen in Naglimund bleiben, das ist das Einzige, das wir mit Sicherheit wissen. Und es wird eine grausige Arbeit sein, sie von dort zu vertreiben. Ich fürchte für Euch und den Rest Eurer Krieger, Graf Eolair. Ich fürchte für uns alle.«
    Dem Hernystiri kam ein grässlicher Gedanke. »Verzeiht mir – ich weiß so wenig von diesen Dingen, wenn auch inzwischen vielleicht schon mehr, als mir lieb ist –, aber Ihr sagtet, diese Jenseits-Orte hätten etwas mit den Geheimnissen des … des Todes zu tun?«
    »Alle Geheimnisse sind so lange ein Geheimnis, bis man ihre Lösung findet«, erklärte Kuroyi. »Ja – wir haben versucht, durch die A-Genay’asu’e mehr über Tod und Nichtsein zu erfahren.«
    »Diese Nornen, gegen die wir kämpfen, sind lebende Wesen, aber ihr Gebieter ist es nicht. Könnte es sein, dass sie den Sturmkönig wieder … zum Leben erwecken wollen?«
    Eolairs Frage rief weder Hohngelächter noch entsetztes Schweigen hervor.
    »Wir haben es erwogen.« Likimeya machte keine Umschweife.
    »Es ist nicht möglich.«
    »Ineluki ist tot.« Kuroyi sprach sanfter, aber ebenso fest.
    »Es gibt Dinge, von denen wir nur wenig wissen, aber den Tod kennen wir gut.« Seine Lippen verzogen sich zu einem winzigen, trockenen Lächeln. »Sehr gut sogar. Ineluki ist tot. Er kann nicht in diese Welt zurückkehren.«
    »Aber Ihr habt mir gesagt, er wohne in Sturmspitze«, wandte Eolair sich an Jiriki. »Ihr sagtet, die Nornen folgten seinen Befehlen. Führen wir Krieg gegen eine bloße Einbildung?«
    »Es ist allerdings verwirrend, Graf Eolair«, erwiderte Jiriki. »Ineluki – der nicht mehr der wirkliche Ineluki ist – lebt nur noch als eine Art Traum fort. Er ist ein böser und rachsüchtiger Traum, verschlagenwie der Sturmkönig zu Lebzeiten selbst war, und er weiß mehr über die letzte, endgültige Dunkelheit, als jemals ein lebendes Wesen gewusst hat – aber dennoch ist er nicht mehr als ein Traum. Vertraut mir, ich spreche die Wahrheit. So wie wir auf der Straße der Träume gehen und dort Dinge sehen und fühlen können, kann Ineluki in Nakkiga durch die Atmende Harfe zu seinen Anhängern sprechen. Die Harfe ist einer der mächtigsten Meisterzeugen, obwohl ich annehme, dass allein Utuk’ku die Fähigkeit besitzt, Ineluki zu verstehen. Darum ist er nichts, Eolair, das in dieser Welt vorhanden ist.« Er zeigte auf die Zeltwand. »Er ist nicht wirklich, wie dieser Stoff, wie die Erde unter unseren Füßen wirklich ist. Aber das heißt nicht, dass er nicht trotzdem in der Lage ist, unendlich Böses zu tun … Utuk’ku und ihre Diener sind wirklich genug.«
    »Entschuldigt, wenn ich so hartnäckig bin«, begann Eolair von neuem, »aber ich habe heute Nacht so viel gehört, dass in meinem Kopf noch immer Unordnung herrscht. Wenn nun Ineluki nicht zurückkehren kann, warum sind dann die Nornen so versessen darauf, Naglimund um jeden Preis zu halten?«
    »Genau das ist die Frage, vor der wir stehen«, entgegnete Jiriki.

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