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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Troll konnte sich irren. Und konnte sie es sich leisten,diese Chance zu vertun? Und was noch viel wichtiger war: Konnte sie jetzt umkehren, ohne ihren Vater gesehen zu haben, obwohl sie wusste, dass es vielleicht das letzte Mal sein würde?
    »Du hast die Wahrheit gesprochen.« Binabik schlüpfte durch die Tür der Gruft und hielt schützend die Hand über die Augen. »Dieser Regen fällt ungemein heftig.«
    »Wir gehen am besten dorthin, wo wir die Pferde gelassen haben. Dort können wir uns unterstellen. Hast du gar nichts entdeckt?«
    »Zumindest keine Tunnel.« Der Troll wischte sich die lehmigen Hände an den Lederhosen ab. »Aber es waren nicht wenige Verstorbene dort, keiner von ihnen gute Gesellschaft.«
    Miriamel machte ein enttäuschtes Gesicht. »Aber ich weiß genau, dass Simon hier nach oben gekommen ist. Es muss eines von diesen Gräbern sein.«
    Binabik zuckte die Achseln und ging auf die Gruppe windgeschüttelter Ulmen an der Südmauer des Friedhofs zu. Unterwegs zog er die Kapuze hoch. »Entweder erinnerst du dich mit geringfügigem Irrtum, oder der Tunnel ist auf eine Art verborgen, die zu entdecken ich unfähig bin. Und doch bin ich in allen Wänden herumgekrochen und habe jeden Stein aufgehoben …«
    »Es liegt bestimmt nicht an dir«, antwortete sie. Ein jäher Blitzstrahl erhellte den Himmel; der Donner folgte nur Sekunden später. Plötzlich trat ihr ein Bild von Simon, wie er in der dunklen Erde versank, vor Augen. Er war dahin, für immer verloren, trotz aller tapferen Worte, die der Troll und sie gesprochen hatten. Sie keuchte und stolperte. Über ihre regennassen Wangen strömten Tränen. Sie blieb stehen und schluchzte so bitterlich, dass sie nichts mehr sehen konnte.
    Binabiks kleine Hand schloss sich um ihre Finger. »Ich bin bei dir.« Auch seine Stimme bebte.
    Lange standen sie so im Regen beieinander. Schließlich beruhigte sich Miriamel. »Sei mir nicht böse, Binabik. Ich weiß keinen Rat mehr. Wir haben den ganzen Tag gesucht und keinerlei Erfolg gehabt.« Sie schluckte und wischte sich das Wasser vom Gesicht. »Vielleicht sollten wir wirklich aufgeben. Du hattest recht. Ich werde es nie schaffen, durch dieses Tor zu kommen.«
    »Erst einmal wollen wir wieder trocken werden.« Der kleine Mann zog sie eilig weiter, ihrem Unterschlupf zu. »Dann können wir erörtern, was wir als Nächstes unternehmen.«
     
    »Wir haben uns umgeschaut, Miriamel«, sagte der Troll. Die Pferde schnaubten ängstlich, als neuer Donner über den Himmel grollte. Qantaqa starrte in die Wolken, als wäre das laute Krachen etwas, das sie am liebsten jagen und fangen würde. »Aber wenn du es wünschst, werde ich warten und noch einmal schauen, wenn der Regen zu Ende ist. Vielleicht sucht es sich auch sicherer in der Nacht.«
    Miriamel schauderte bei dem Gedanken der Gräber bei Nacht. Die Bukken hatten ihr gezeigt, dass es in den Grüften weit mehr zu fürchten gab als nur die unruhigen Geister der Toten. »Ich will nicht, dass du das tust!«
    Der Troll hob die Schultern. »Was begehrst du dann?«
    Miriamel sah auf die Karte. Das Labyrinth aus Tinte war im Licht des von Gewitterwolken verdunkelten Nachmittags kaum zu erkennen. »Hier sind noch andere Tunnel eingezeichnet, die ins Innere führen. Dort zum Beispiel.«
    Binabik studierte mit zusammengekniffenen Augen die Karte. »Dieser hier scheint mir in der Felswand über dem Kynslagh ans Licht zu kommen. Vermutlich ist er sehr schwer zu finden und zu nah an der Burg. Man würde uns sehen.«
    Miriamel nickte bekümmert. »Wahrscheinlich hast du recht. Und was ist mit dem da?«
    Der Troll überlegte. »Er scheint dort zu verlaufen, wo nun die Stadt steht.«
    »Erchester?« Miriamel blickte sich um, aber die hohe Mauer der Begräbnisstätte blockierte die Aussicht auf die Stadt. »Irgendwo in Erchester?«
    »Ja, kannst du es erkennen?« Er zeichnete mit dem kurzen Finger die Linie nach. »Wenn das der kleine Wald ist, der Kynswald heißt, und das der Ort, an dem wir uns gerade befinden …«
    »Ja. Es muss ziemlich in der Mitte der Stadt sein.« Sie hielt inne und dachte nach. »Wenn ich mein Gesicht irgendwie verändern könnte …«
    »Und ich meine Größe und Trollgestalt?«, erkundigte sich Binabik mit schiefem Lächeln.
    Miriamel schüttelte den Kopf und merkte, wie ihre Idee Formen annahm. »Nein. Das wäre nicht nötig. Wenn wir nur ein Pferd benutzten und du mit mir rittest, würden die Leute dich für ein Kind halten.«
    »Ich bin

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