Der Engelsturm
ich hatte nichts damit zu tun.«
»Ich könnte es Euch fast glauben, Mutter. Fast.« Benigaris lächelte dünn und sah nach der Tür. Dort war einer seiner Höflinge aufgetaucht, der ihn mit schlecht verhohlener Furcht anstarrte. »Was wollt Ihr?«
»Draußen … draußen fragen viele Leute nach Euch, Herr. Ihr habt gesagt, man solle es Euch melden.«
»Ja, ja. Wer wartet?«
»Zum einen der Niskie, Herr. Er sitzt immer noch im Audienzsaal.«
»Habe ich denn nicht genug zu tun? Warum versteht er die Andeutung nicht und geht wieder? Und was will der verdammte Seewächter überhaupt hier?«
Der Höfling schüttelte den Kopf. Die lange Feder an seiner Mütze, vom Abendwind bewegt, flatterte ihm vors Gesicht. »Er will mit niemandem als Euch sprechen, Herzog Benigaris.«
»Dann kann er dort bleiben, bis er vertrocknet und am Boden nach Luft schnappt. Ich habe keine Zeit für Niskiegeschwätz.« Er sah wieder hinaus auf die Lichter der Stadt. »Wer noch?«
»Ein weiterer Bote von Graf Streáwe, Herr.«
»Ah.« Benigaris zupfte an seinem Schnurrbart. »Wie erwartet. Nun, ich denke, wir lassen diesen Wein noch ein wenig im Fass lagern. Außerdem?«
»Der Sterndeuter Xannasavin, Herr.«
»Hat er sich endlich herbequemt? Sicher zutiefst betrübt, seinen Herzog warten zu lassen.« Er nickte langsam. »Schick ihn herauf.«
»Xannasavin ist hier?« Nessalanta lächelte entzückt. »Bestimmt hat er uns wieder wundervolle Dinge zu verkünden. Du wirst sehen, Benigaris, er bringt uns gute Nachrichten.«
»Ganz bestimmt.«
Wenige Augenblicke später erschien Xannasavin. Wie um von seinem eigenen hohen Wuchs abzulenken, ließ sich der Astrologe vorsichtig auf die Knie nieder.
»Herzog Benigaris, Herr, Herzogin Nessalanta, Herrin. Ich bitte tausendmal um Vergebung. Ich kam sofort, als ich Eure Aufforderung erhielt.«
»Setz dich zu mir, Xannasavin«, lud die Herzogin ihn ein. »Wir haben dich in letzter Zeit selten gesehen.«
Benigaris, ans Geländer gelehnt, sagte: »Meine Mutter hat recht – du warst häufig nicht im Palast.«
Der Sterndeuter stand auf und ging zu Nessalanta, um neben ihr Platz zu nehmen. »Bitte entschuldigt. Ich habe festgestellt, dass es manchmal das Beste ist, wenn man sich dem Glanz des Hoflebens ein wenig entzieht. In der Einsamkeit hört man leichter, was die Sterne sagen.«
»Aha.« Der Herzog nickte, als sei ein großes Rätsel gelöst. »Darum also hat man dich auf dem Marktplatz gesehen, wie du mit einem Pferdehändler feilschtest.«
Xannasavin zuckte fast unmerklich zusammen. »Ja, Herr. Tatsächlich dachte ich, dass ein Ritt unter dem Nachthimmel von Nutzen sein könnte. Euer Hof ist so reich an angenehmen Zerstreuungen, und wir leben in großen Zeiten. Ich fand, mein Kopf müsse klar sein, wenn ich Euch richtig dienen wollte.«
»Komm her«, befahl Benigaris.
Der Sterndeuter erhob sich, strich die Falten seines dunklen Gewandes glatt und trat neben den Herzog an das Geländer des Dachgartens. »Was siehst du am Himmel?«
Xannasavin kniff die Augen zusammen. »Oh, vielerlei, Herr. Doch wenn Ihr wünscht, dass ich Euch die Sterne ausführlich lese, müsste ich zuerst in mein Zimmer gehen und meine Karten holen.«
»Aber das letzte Mal, als du hier warst, stand der Himmel doch voller Glück, und du brauchtest deine Karten gar nicht.«
»Damals hatte ich sie, bevor ich zu Euch kam, Herr, viele Stunden studiert.«
Benigaris legte dem Astrologen den Arm um die Schulter. »Und wie steht es mit den großen Siegen des Eisvogelhauses?«
Xannasavin wand sich wie ein Aal. »Sie werden kommen, Herr. Seht nur hinauf in den Himmel!« Er wies nach Norden. »Ist es nicht so, wie ich vorhergesagt habe? Schaut dort – der Erobererstern.«
Benigaris folgte seinem Zeigefinger mit dem Blick. »Dieser kleine rote Fleck?«
»Bald wird er den ganzen Himmel in Brand setzen, Herzog Benigaris.«
»Er hat doch gesagt, der Stern würde aufgehen, Benigaris«, warf Nessalanta ein. Sie schien verärgert, nicht in das Gespräch einbezogen worden zu sein. »Bestimmt wird alles andere ebenfalls eintreten.«
»Davon bin ich überzeugt.« Benigaris starrte auf den blutroten Stecknadelkopf am Abendhimmel. »Der Untergang von Reichen. Heldentaten des benidrivinischen Hauses.«
»Ihr habt ein gutes Gedächtnis, Herr!«, lächelte Xannasavin. »Was Euch jetzt Sorgen bereitet, ist nur ein vorübergehender Zustand – unter dem großen Rad des Himmels nichts als ein Windhauch im Gras.«
»Vielleicht.« Der Arm
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