Der Engelsturm
Josuas Männern ein besorgtes Flüstern ging.
Schließlich ist er ein alter Mann, älter als meines Vaters Vater, als er starb. Und vielleicht verabscheut er diesen Kampf noch mehr als alle vorangegangenen.
Benigaris hämmerte auf Camaris’ Schild ein und versuchte, seinen Vorteil zu nutzen, als der alte Ritter zurückwich. Dabei keuchte der Herzog so laut, dass man seinen Atem durch das Klirren des Eisens auf dem ganzen Hang hören konnte. Selbst Tiamak, der fast gar nichts von der Fechtkunst der Trockenländer verstand, fragte sich, wie lange er einen solchen Angriff fortsetzen konnte.
Aber er braucht vielleicht gar nicht mehr lange durchzuhalten. Nur bis er Camaris’ Verteidigung durchbricht und eine Öffnung findet. Darauf setzt er.
Und wirklich schien es einen Augenblick, als habe Benigaris’ Spiel sich gelohnt. Einer seiner Hammerschläge prallte am oberen Schildrandab und streifte den alten Ritter seitlich am Helm, dass er taumelte. Aus der Menge kam ein hungriges Brüllen. Camaris fand wieder Halt und hob den Schild, mühsam, als sei er auf einmal zentnerschwer. Benigaris drang weiter auf ihn ein.
Tiamak konnte nicht genau erkennen, was dann geschah. Eben noch stand der alte Ritter geduckt da, den Schild wie hilflos gegen den Hagel von Benigaris’ Hieben vorgestreckt. Im nächsten Augenblick hatte er Benigaris’ Schild mit seinem eigenen ausgehebelt und in die Höhe geschleudert. Für einen kurzen Moment hing der Schild in der Luft wie eine blaugoldene Münze. Dann fiel er herunter, und Dorns schwarze Spitze saß an der Halsberge des Herzogs.
»Ergebt Ihr Euch, Benigaris?« Camaris sprach mit klarer Stimme, aber in ihr lag die Ahnung eines müden Zitterns.
Als Antwort schlug Benigaris Dorn mit der gepanzerten Faust zur Seite und wollte Camaris die eigene Klinge in den ungeschützten Bauch stoßen. Der alte Mann schien sich zu krümmen, als das Schwert in Gürtelhöhe sein Panzerhemd berührte. Tiamak dachte schon, er sei aufgespießt, aber stattdessen drehte Camaris sich einmal um die eigene Achse. Benigaris’ Schwert glitt an ihm vorbei, und als der alte Ritter die Kreisbewegung beendet hatte, folgte ihm Dorn in einem flachen, tödlichen Bogen. Gerade unter den Rippen zerschnitt es krachend Benigaris’ Rüstung. Der Herzog brach in die Knie, wankte und fiel. Camaris zog Dorn aus dem Riss in der Brustplatte. Ein Blutstrom quoll hervor.
Neben Tiamak stießen Sludig und Hotvig heisere Jubelschreie aus. Josua machte einen weniger glücklichen Eindruck.
»Barmherziger Ädon.« Fast zornig schaute er auf seine beiden Hauptleute und bemerkte dabei den Wranna. »Wenigstens können wir Gott danken, dass Camaris am Leben ist. Kommt, wir wollen zu ihm gehen und auch sehen, was wir für Benigaris tun können. Habt Ihr Eure Kräuter bei Euch, Tiamak?«
Der Marschmann nickte. Er und der Prinz begannen sich durch die dichte Menge zu drängen, die die beiden Kämpfer bereits umringte.
Als sie sich den Weg in die Mitte gebahnt hatten, legte Josua Camaris die Hand auf die Schulter. »Geht es Euch gut?«
Der alte Ritter nickte. Er machte einen erschöpften Eindruck. Verschwitzte Strähnen seines Haars hingen ihm in die Stirn.
Josua trat zu dem am Boden liegenden Benigaris. Jemand hatte dem Herzog den Helm abgenommen. Er war bleich wie ein Norne. Auf seinen Lippen stand blutiger Schaum. »Liegt still, Benigaris. Lasst diesen Mann nach Euren Wunden sehen.«
Der Herzog richtete die trüben Augen auf Tiamak. »Ein Marschmann!«, keuchte er. »Ihr seid ein wunderlicher Mensch, Josua.«
Der Wranna kniete neben ihm nieder und suchte nach den Befestigungsschnallen des Brustharnischs, aber Benigaris schlug seine Hände fort. »Lass mich in Ruhe, verdammt nochmal. Kann ich nicht sterben, ohne dass mich auch noch ein Wilder mit seinen schmutzigen Pfoten anfasst?«
Josua Lippen wurden schmal, aber er gab Tiamak einen Wink, zurückzutreten. »Wie Ihr wünscht. Doch vielleicht kann man etwas für Eure Wunden tun?«
Benigaris lachte bellend. Eine blutige Schaumblase rollte in seinen Schnurrbart. »Lasst mich sterben, Josua. Das ist es, was mir bleibt. Ihr könnt …«, wieder hustete er roten Schaum, »… Ihr könnt alles andere haben.«
»Warum habt Ihr es getan?«, fragte Josua. »Ihr müsst gewusst haben, dass Ihr nicht gewinnen konntet.«
Benigaris grinste mühsam. »Aber ich habe Euch allen einen Schrecken eingejagt, nicht wahr?« Sein Gesicht verzerrte sich, aber er beherrschte sich. »Jedenfalls wählte ich
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