Der Engelsturm
Möglichkeit verzichteten. Vielleicht retten wir damit vielen das Leben. Allein dafür würde ich tun, was getan werden muss.«
Josua nickte. »Es wird wohl so sein. Ich verstehe seine Gründe immer noch nicht, aber ich denke, ich muss einwilligen. Das Volk von Nabban soll nicht darunter leiden, dass sein Herrscher ein Vatermörder ist. Und wenn wir siegen, erwartet uns eine größere Herausforderung, für die wir ein Heer brauchen, das gesund und stark ist.«
Natürlich ist Josua niedergeschlagen, begriff Isgrimnur. Er weiß, dass Schrecken vor uns liegen, gegen die das Gemetzel vom Onestrinischen Pass so lächerlich ist, dass wir daran zurückdenken werden wie an einen Tag fröhlicher Wettkämpfe. Von allen hier im Zimmer hat allein Josua die Belagerung von Naglimund überlebt. Er hat gegen die Weißfüchse gekämpft. Natürlich ist er grimmig.
Laut sagte er: »Dann ist es also entschieden. Ich hoffe nur, dass mir jemand dabei hilft, einen Hocker für meinen dicken, alten Hintern zu finden, damit ich zuschauen kann.«
Josua musterte ihn ein wenig ungehalten. »Es handelt sich nicht um ein Turnier, Isgrimnur. Aber Ihr werdet dort sein – wie wir alle. Benigaris scheint es so haben zu wollen.«
Rituale, dachte Tiamak. Die Rituale meines Volkes müssen den Trockenländern so merkwürdig vorkommen wie diese mir.
Er stand auf dem windigen Hang und beobachtete, wie die großen Tore der Stadt Nabban weit aufschwangen. Ein kleiner Reiterzug kam heraus, der Anführer in einer versilberten Rüstung, die selbst unter dem bewölkten Nachmittagshimmel hell glänzte. Einer der anderen Reiter trug das riesige, blaugoldene Banner des Eisvogelhauses. Kein Horn erscholl.
Tiamak sah Benigaris und seine Schar nach der Stelle reiten, wo er selbst unter Josuas Gefolge stand. Während sie warteten, frischte der Wind auf. Tiamak spürte, wie er durch sein Gewand fuhr und zitterte.
Bitterkalt ist es hier. Zu kalt für diese Jahreszeit, sogar so nah am Meer.
Die Reiter kamen ein paar Schritte vor dem Prinzen und seinen Männern zum Stehen. Josuas Soldaten hatten sich in ungeordneten Reihen über den Fuß des Hügels verteilt. Sie waren sich der Bedeutung des Augenblicks bewusst und verfolgten die Vorgänge mit gespannter Aufmerksamkeit. Auch aus den Fenstern und von den Dächern am Stadtrand gelegener Häuser von Nabban und von den Stadtmauern spähten Gesichter. Ein Krieg war plötzlich angehalten worden, damit dieses Ereignis stattfinden konnte. Nun standen die Teilnehmer da wie Spielzeug, das man aufgestellt und dann vergessen hat.
Josua trat vor. »Ihr seid gekommen, Benigaris.«
Der Anführer der Reiter schob das Visier seines Helms nach oben.
»Ja, Josua. Ich bin auf meine Art ein Mann von Ehre. Ganz so wie Ihr.«
»Und Ihr wollt bei den Bedingungen bleiben, die Ihr Baron Seriddan angegeben habt? Ein Zweikampf? Und Ihr verlangt freies Geleit für Eure Familie und Gefolgsleute?«
Benigaris straffte ungeduldig die Schultern. »Ihr habt mein Wort. Ich habe das Eure. Fangen wir also an. Wo ist … der große Mann?«
Josua musterte ihn nicht ohne Misstrauen. »Hier.«
Bei seinen Worten teilte sich der Kreis der hinter ihm Stehenden, und Camaris erschien. Der alte Ritter trug einen Kettenpanzer. Sein Wappenrock war ohne Abzeichen, und er hielt den alten Meerdrachenhelm unter dem Arm. Tiamak fand, er sehe noch trauriger aus als sonst.
Benigaris starrte den alten Mann an, und ein bitteres Lächeln kräuselte die Enden seines Schnurrbarts. »Ah. Ich hatte recht. Ich habe es ihr gesagt.« Er nickte dem Ritter zu. »Seid gegrüßt, Oheim.«
Camaris antwortete nicht.
Josua, den das Schauspiel immer stärker anzuwidern schien, hob die Hand. »Nun gut. Bringen wir es hinter uns.« Er sah den Herzog von Nabban an. »Varellan ist bei uns. Wir haben ihn gut behandelt. Ich verspreche Euch, dass wir auch Eurer Mutter und Schwester freundlich und mit Ehren begegnen werden, ganz gleich, was geschieht.«
Benigaris starrte ihn lange an, die Augen kalt wie Eidechsenaugen. »Meine Mutter ist tot.« Er ließ das Visier zuschnappen, wendete sein Pferd und ritt ein Stück zurück den Hang hinauf.
Josua winkte Camaris müde zu. »Versucht, ihn nicht zu töten.«
»Ihr wisst, dass ich nichts versprechen kann«, entgegnete der Alte. »Aber ich will ihn verschonen, wenn er darum bittet.«
Der Wind wurde stärker. Tiamak wünschte sich, er hätte noch mehr von der Kleidung der Trockenländer übernommen. Hosen und Stiefel wären eine
Weitere Kostenlose Bücher