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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Hand drückte er Simons rechten Arm gegen seine Unterlage und hob dann die andere Hand, die einen schweren Vorschlaghammer hielt. Simon sah den Nagel, der an sein Handgelenk gehalten wurde, und konnte einen Schreckensschrei nicht unterdrücken.
    »Hast du Angst, Küchenjunge? Du hast mir meinen Platz weggenommen, den Platz, der mir zustand. Hast mir den alten Mann abspenstig gemacht. Das habe ich nicht vergessen.« Inch hob den Hammer und schlug hart auf den Nagelkopf. Simon schnappte nach Luft und wand sich verzweifelt, aber er fühlte keinen Schmerz. Nur der Druck auf seine Handgelenke verstärkte sich. Inch hämmerte den Nagel noch tiefer hinein und lehnte sich dann zurück, um sein Werk zu betrachten. Erst jetzt erkannte Simon, dass sie sich hoch über dem Höhlenboden befanden. Inch stand auf einer Leiter, die kurz unter Simons Arm an der Wand lehnte.
    Aber gleich darauf merkte er, dass es nicht die Wand war. Der Strick um sein Handgelenk war an das riesige Wasserrad der Schmiede genagelt. Auch das andere Handgelenk und beide Füße waren schon so befestigt. Er hing mit ausgestreckten Gliedern knapp unter der Oberkante des Rades und zehn Ellen über der Erde. Das Rad stand still, und die Rinne mit dem schwarzen Wasser kam ihm weiter entfernt vor, als sie eigentlich hätte sein müssen.
    »Mach, was du willst.« Simon biss die Zähne zusammen, um den Schrei zu unterdrücken, der aus ihm herausbrechen wollte.
    »Es ist mir gleich.«
    Wieder zog Inch prüfend an Simons Handgelenken. Simon konnte fühlen, wie sein eigenes Gewicht ihn in den Fesseln nach unten zog und seine Armgelenke allmählich warm wurden, eine Wärme, die dem wirklichen Schmerz nur voranging.
    »Machen? Ich mache nichts.« Inch legte Simon die breite Hand auf die Brust und drückte, sodass Simons Atem mit überraschtem Zischen aus ihm herausgezwungen wurde. »Ich habe gewartet. Du hast meinen Platz eingenommen. Ich habe gewartet und gewartet, bis ich Doktor Inch wurde. Jetzt kannst du warten.«
    »W-warten? W-worauf?«
    Inch lächelte träge und zeigte seine abgebrochenen Zähne. »Aufs Sterben. Kein Essen. Vielleicht gebe ich dir Wasser – dann dauert es länger. Vielleicht fällt mir auch … etwas anderes ein. Du wirst warten.« Er nickte mit dem Kopf. »Warten.« Er steckte den Hammergriff in den Gürtel und kletterte die Leiter hinunter.
    Simon verrenkte sich den Hals und sah ihm verdutzt und wie gebannt nach. Als der Aufseher den Boden erreicht hatte, winkte er zweien seiner Schergen, die Leiter wegzunehmen.
    Traurig sah Simon sie entschwinden. Selbst wenn es ihm gelang, sich aus den Fesseln zu befreien, würde er stürzen und sich das Genick brechen.
    Aber Inch war noch nicht fertig. Er ging weiter, bis er fast hinter dem großen Rad verschwand, und betätigte einen dicken Holzhebel. Simon vernahm ein Knirschen und spürte, wie das Rad sich ruckend in Bewegung setzte. Er spürte die jähe Erschütterung in allen Knochen. Das Rad rollte bebend abwärts, die Wasserrinne spritzte auf, und Simon wurde von neuem durchgerüttelt.
    Langsam … ganz langsam … begann das Rad sich zu drehen.
    Zuerst war es beinah eine Erleichterung, dem Boden zuzukreisen. Das Gewicht verlagerte sich von den Oberarmen auf Handgelenke und Knöchel und dann, während die Höhle auf dem Kopf stand, nach und nach in die Beine. Als es noch weiter abwärts ging, stieg ihm das Blut zu Kopf, bis er das Gefühl hatte, es müsste ihm aus den Ohren brechen. Am tiefsten Punkt der Drehung spritzte fast unmittelbar unter ihm Wasser auf und benetzte fast seine Fingerspitzen.
    Oben über dem Rad entrollten sich die riesigen Ketten wieder ins Dunkel.
    »Konnte es nicht lange anhalten«, brummte ein auf dem Kopf stehender Inch. »Bälge arbeiten nicht, Eimer laufen nicht – und der Turm vom roten Rattenzauberer dreht sich nicht.« Einen Augenblick blieb er noch stehen und glotzte Simon nach, der langsam zur Höhlendecke aufstieg. »Tut viele Dinge, dieses Rad.« Sein verbleibendes Auge funkelte im Schein des Schmiedefeuers. »Tötet kleine Küchenjungen.«
    Er wandte sich ab und stampfte schwerfällig davon.Zunächst tat es gar nicht so weh. Simons Handgelenke waren so fest gebunden und sein Körper so eng an den breiten Radkranz geschnürt, dass er nur wenig Spielraum hatte. Er war hungrig, was ihn bei klarem Kopf hielt; sein Verstand drehte sich weit schneller als das Rad, das ihn gefangen hielt, kreiste durch die Ereignisse, die ihn hierhergebracht hatten, und erwog dutzende

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