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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Streáwe an zu lachen. »Ja, wir haben angefangen zu verhandeln. Aber Ihr unterschätzt mich, Josua, oder Ihr unterschätzt Eure eigenen Schätze. Ihr habt etwas, das mir nützlicher sein könnte als Gold oder Macht und das zudem diese beiden Dinge ohnehin im Gefolge hat.«
    »Und was ist das?«
    Der Graf beugte sich vor. »Wissen.« Er setzte sich gerade hin, und ein langsames Lächeln breitete sich über sein Gesicht. »Damit habe ich meinerseits auf einen Vorteil beim Feilschen verzichtet, als Gegengabe für Euer Entgegenkommen.«
    Er rieb sich mit kaum verhohlenem Vergnügen die Hände. »Lasst uns nun ernsthaft miteinander reden.«
    Isgrimnur stöhnte leise, als Josua neben dem Herrn von Perdruin Platz nahm. Trotz der eingestandenen Eile des Prinzen würde sich ein kompliziertes Ritual entfalten. Offensichtlich hatte Streáwe vielzu viel Spaß daran, um es abzukürzen, während Josua die ganze Sache zu ernst nahm, um sich hetzen zu lassen. Isgrimnur sah auf Camaris, der während der ganzen Unterredung geschwiegen hatte. Der alte Ritter starrte die versperrten Fenster an wie ein kunstvoll gemaltes, fesselndes Bild. Er hatte das Kinn in die Hand gestützt. Isgrimnur gab ein neuerliches, schmerzliches Grunzen von sich und griff zum Bier. Er ahnte, dass ihm ein langer Abend bevorstand.

    Miriamels Furcht vor den Unterirdischen nahm allmählich ab. Sie erinnerte sich wieder an das, was sie von Simon und anderen über Graf Eolairs Besuch auf dem Sesuad’ra gehört hatte. Der Graf war in den Minen unter den Bergen von Hernystir auf Unterirdische gestoßen. Er nannte sie Dornhaini und schilderte sie als freundlich und friedfertig. Das schien auch zu stimmen, denn sie hatten sie zwar entführt, ihr sonst aber nichts Böses getan. Nur gehen lassen wollten sie sie auch jetzt noch nicht.
    »Hier.« Sie wies auf die Reisesäcke. »Wenn ihr so sicher seid, dass ich etwas Schädliches oder Gefährliches bei mir trage, dann sucht selbst danach.«
    Während die Unterirdischen mit besorgten, glockenhellen Stimmen berieten, erwog Miriamel Fluchtpläne. Sie fragte sich, ob die Unterirdischen jemals schliefen. Wohin hatten sie sie gebracht? Wie konnte sie einen Weg hier heraus finden? Und wohin sollte sie dann gehen? Wenigstens waren ihr die Karten geblieben, obwohl sie bezweifelte, sie so gut lesen zu können wie Binabik.
    Wo war Binabik? Lebte er noch? Sie wurde fast krank, wenn sie an den grinsenden Unhold dachte, der den Troll überfallen hatte. Wieder ein Freund, der den Schatten zum Opfer gefallen war! Der kleine Mann hatte recht gehabt – es war ein törichtes Unterfangen. Ihr Starrsinn hatte vielleicht ihren beiden besten Freunden den Tod gebracht. Wie konnte sie mit diesem Wissen weiterleben?
    Als die Unterirdischen endlich einen Beschluss gefasst hatten, war Miriamel das Ergebnis ziemlich gleichgültig. Eine düstere Stimmung hatte sie befallen und raubte ihr alle Kraft.
    »Wenn du erlaubst, werden wir uns deine Besitztümer ansehen«, erklärte Yis-fidri. »Um eure Sitten zu achten, wird nur meine Frau Yis-hadra sie berühren.«
    Miriamel hätte über diese zarte Rücksicht am liebsten laut gelacht. Was glaubten die Unterirdischen denn, hier unter der Erde bei ihr zu finden – die zierliche Unterkleidung einer Schlossprinzessin? Winzige, zerbrechliche Andenken? Parfümierte Briefe ihrer Verehrer?
    Yis-hadra kam schüchtern herbei und fing an, den Inhalt der Säcke zu untersuchen. Ihr Gatte kniete neben Miriamel nieder. »Wir sind sehr betrübt, dass wir das tun müssen. Es ist nicht unsere Art – nie haben wir anderen gewaltsam unseren Willen aufgezwungen. Niemals.« Er schien verzweifelt bemüht, sie zu überzeugen.
    »Ich verstehe immer noch nicht, vor welcher Gefahr ihr euch so fürchtet.«
    »Es ist der Ort, an dem wir dich und deine beiden Begleiter entdeckt haben. Es ist … es ist … ich kenne keine Worte in den Sprachen der Sterblichen, die es erklären könnten.«
    Er öffnete und schloss die langen Finger. »Es gibt … Mächte, Wesen, die lange geschlafen haben. Jetzt erwachen sie. Die Turmtreppe, die ihr hinaufgestiegen seid, ist ein Ort, an dem diese Kräfte stark sind. Jeden Tag werden sie stärker. Wir wissen noch nicht, worauf alles hinausläuft, aber bis wir es verstehen, darf nichts geschehen, was das Gleichgewicht erschüttern könnte …«
    Miriamel winkte ihm, einzuhalten. »Warte, Yis-fidri. Ich versuche dir zu folgen. Zuerst möchte ich aber sagen, dass dieses … dieses Wesen, das uns auf der

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