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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schimmer einiger Kristalle, ganz wie vorher, als Miriamel eingeschlafen war. Trotzdem spürte sie, dass sich etwas verändert hatte.
    »Yis-fidri?«, rief sie. In der Nähe löste sich eine Gestalt von der Wand und kam kopfnickend auf sie zu.
    »Er ist noch nicht wieder zurück«, sagte Yis-hadra.
    »Was ist geschehen?« Miriamels Kopf schmerzte wie nach einem Schlag. »Irgendetwas muss sich gerade ereignet haben.«
    »Diesmal war es sehr stark.« Yis-hadra war sichtlich beunruhigt. Ihre riesigen Augen waren noch größer als sonst, und die langen Finger zuckten krampfhaft. »Eine … Veränderung geht vor … ein Wandel im Gebein der Erde und im Herzen von Asu’a.« Sie suchte nach Worten. »Es hat schon vor einer ganzen Weile angefangen. Jetzt wird es stärker.«
    »Was für ein Wandel? Was wollen wir tun?«
    »Das wissen wir nicht. Aber wir werden nichts unternehmen, bevor Yis-fidri und die anderen zurück sind.«
    »Die ganze Höhle stürzt über unserem Kopf ein, und du willst nichts unternehmen? Nicht einmal weglaufen?«
    »Nichts wird … einstürzen. Es ist eine andere Art von Wandel.« Yis-hadra legte Miriamel die zitternde Hand auf den Arm. »Bitte. Mein Volk fürchtet sich. Du machst es nur noch schlimmer.«
    Bevor Miriamel antworten konnte, ging ein seltsames, lautloses Grollen durch ihren Körper, ein Ton, der so tief war, dass sie ihnnicht hören konnte. Die ganze Felskammer schien sich zu verschieben – Yis-hadras fremdartiges, unschönes Gesicht wirkte für einen kurzen Augenblick wie leblos, und das rosige Licht von den Stäben der Unterirdischen wurde dunkler und gefror dann zu grellem Weiß und Azurblau. Alles schien schief zu stehen. Miriamel merkte, wie sie zur Seite rutschte, als hätte sie keinen Halt mehr auf der sich drehenden Welt.
    Gleich darauf wurden die Kristalllichter wieder warm, und die Höhle sah aus wie zuvor.
    Miriamel holte ein paarmal unsicher Luft, ehe sie Worte fand. »Da geht etwas … etwas sehr Schlimmes vor.«
    Yis-hadra, die geduckt dagestanden hatte, richtete sich schwankend auf. »Ich muss mich um die anderen kümmern. Yis-fidri und ich geben uns große Mühe, ihre Furcht zu mildern. Ohne den Scherben und die Halle der Muster haben wir nicht mehr viel, das uns zusammenhält.«
    Fröstelnd blickte Miriamel ihr nach. Die Steinmassen um sie herum kamen ihr vor wie die engen Wände einer Grabkammer.
    Was Josua, der alte Jarnauga und die anderen gefürchtet hatten, trat nun ein. Irgendeine unbändige Macht strömte durch die Steine unter dem Hochhorst wie Blut durch ihre Adern. Offensichtlich hatten sie nur noch sehr wenig Zeit.
    Werde ich hier mein Ende finden? Hier unten im Dunkel, ohne je zu wissen, warum?
     
    Sie merkte nicht, wie sie wieder einschlief, aber sie erwachte, diesmal sanfter, aufrecht an der Höhlenwand sitzend und mit ihrer Kapuze als Kopfkissen. Sie rieb sich den steifen Nacken und sah dabei plötzlich eine Gestalt, die vor ihrem Gepäck hockte, einen undeutlichen Umriss im rosig-matten Licht der Unterirdischen-Kristalle.
    »He, du! Was tust du da?«
    Die Gestalt drehte sich mit großen Augen um. »Du bist wach«, sagte der Troll.
    »Binabik?« Sie starrte ihn einen Moment sprachlos an, sprang dann auf und rannte zu ihm hin. Sie umarmte ihn so heftig, dass sie ein atemloses Lachen aus ihm herausquetschte. »Mutter derBarmherzigkeit! Binabik! Wie geht es dir? Wie kommst du hierher?«
    »Die Unterirdischen fanden mich auf der Treppe«, erklärte er, als sie ihn wieder losgelassen hatte. »Ich bin schon ein Weilchen hier. Ich wollte dich nicht wecken, aber ich bin voller Hunger, darum habe ich in unseren Säcken geforscht.«
    »Ich glaube, es ist noch etwas Brot übrig und vielleicht ein wenig Dörrobst.« Sie wühlte eifrig in ihren Sachen. »Ich bin ja so glücklich, dich zu sehen! Ich wusste doch nicht, was dir zugestoßen war. Dieses … Wesen … der Mönch … was ist aus ihm geworden?«
    »Ich habe ihn getötet … vielleicht erlöst.« Binabik schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht sagen. Für eine kurze Zeit kam er zu Bewusstsein und warnte mich vor den Nornen … sie wären – was hat er gesagt – ›falscher als falsch‹.« Er nahm den Kanten Brot, den Miriamel ihm anbot. »Ich kannte ihn, als er noch ein Mann war. Simon und ich begegneten ihm in den Ruinen von Sankt Hoderund. Keine Freunde waren wir, Hengfisk und ich. Aber in seine Augen zu sehen … etwas so Grausames sollte niemandem angetan werden. Unsere Feinde haben viel auf dem

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