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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Simon merkte, wie er sich allmählich auflöste, bis er sich vorkam wie ein heimatloses Gespenst, das einsam durch den grauen Raum irrt.
    Einsam bis auf Leleth. Und Maegwin.
    Als er an die beiden dachte, raffte er alle Kraft, die ihm noch geblieben war, zusammen und stolperte weiter.
    In seiner Benommenheit merkte er nicht, dass Guthwulf stehen geblieben war. Plötzlich fiel er nach vorn, und als Simons Hand ihn suchte, stellte er fest, dass der Blinde auf allen vieren weiterkroch. Er bückte sich und seine tastenden Finger fanden zerknitterten Stoff, der auf dem Stein verstreut lag. Ein Nest. Simon ließ seine Hand über den Boden wandern, bis sie gegen das zitternde Bein des Grafen und das kalte Metall des Schwertes stieß.
    »Meins«, sagte Guthwulf sofort. Seine Stimme war verwaschen vor Müdigkeit. »Das hier auch. Sicherheit.«
    In diesem Augenblick war Simon das Schwert ebenso gleichgültig wie Pryrates und alle Soldaten, die sie vielleicht verfolgten. Selbst wenn der Sturmkönig und Elias ihm die ganze Welt über dem Kopf zusammenstürzen lassen wollten – es berührte ihn nicht. Jeder Atemzug brannte wie Feuer, und Arme und Beine zuckten in qualvollen Krämpfen. Sein Kopf dröhnte wie die Glocken im Engelsturm.
    Er suchte sich einen Platz unter den herumliegenden Lumpen und ergab sich dem dunklen Sog.

25
In der Verbannung

    iriki nahm die Hände vom Stein der Unterirdischen. Er brauchte es Eolair nicht zu sagen. »Sie ist tot.« Der Graf starrte auf Maegwins bleiches Gesicht, das jetzt so friedlich aussah wie im Schlaf. »Tot.« Er hatte sich innerlich auf diesen Augenblick vorbereitet, und doch war ihm zumute, als hätte sich ein unendlicher Abgrund in ihm aufgetan, eine Leere, die sich nie wieder füllen ließ. Er streckte den Arm aus und griff nach Maegwins Fingern. Sie waren noch warm.
    »Es tut mir leid«, sagte Jiriki.
    »Wirklich?« Eolair schaute ihn nicht an. »Was kann Euresgleichen das kurze Leben einer Sterblichen bedeuten?«
    Der Sitha gab nicht gleich Antwort. Schließlich erklärte er: »Die Zida’ya sterben, genau wie die Menschen. Und wenn die, die wir im Herzen tragen, von uns gehen, trauern auch wir.«
    »Dann, wenn Ihr mich versteht«, erwiderte Eolair, um Fassung bemüht, »lasst mich bitte allein.«
    »Wie Ihr wünscht.« Jiriki erhob sich katzengleich von dem Strohsack, auf dem er gesessen hatte. Er schien noch etwas sagen zu wollen, verließ dann aber doch schweigend das Zelt.
    Lange Zeit saß Eolair dort und blickte auf Maegwin. Auf ihrer Stirn kräuselte sich das schweißnasse Haar zu kleinen Locken. Ein Lächeln umspielte ganz leicht ihren Mund. Es war fast unvorstellbar, dass das Leben sie verlassen hatte.
    »Oh, grausame Herren sind uns die Götter«, stöhnte Eolair.
    »Maegwin, was haben wir getan, dass sie so hart mit uns umgehen?« Tränen traten ihm in die Augen. Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar und küsste die erkaltende Wange. »Es war alles nur eingrausamer, grausamer Betrug. Alles war umsonst, wenn du tot bist.« Schluchzen erschütterte seinen Körper.
    Eine Weile konnte er sich nur hin- und herwiegen und ihre Hand halten. In der anderen Hand ruhte noch immer der Stein der Unterirdischen, an ihre Brust gedrückt, als wollte sie ihn vor Diebstahl schützen.
    »Ich habe es nicht gewusst, Maegwin, ich habe es nicht gewusst. Du törichte Frau, warum hast du mir nie etwas gesagt? Warum hast du mich getäuscht? Jetzt habe ich nichts mehr. Es ist alles verloren …«
     
    Als er herauskam, stand Jiriki da und wartete. Sein weißes Haar wehte im Wind, und er erschien Eolair wie ein Sturmgeist – ein Bote des Todes.
    »Was gibt es noch?«
    »Wie ich schon sagte, Graf Eolair, tut es mir sehr leid. Aber da ist etwas, von dem ich glaube, dass Ihr es wissen solltet – etwas, das ich in den letzten Lebensmomenten der Herrin Maegwin entdeckte.«
    Brynioch bewahr mich, dachte Eolair müde. Die Welt wuchs ihm über den Kopf, und er hatte das Gefühl, nicht noch weitere Sithirätsel ertragen zu können. »Ich bin erschöpft. Und wir müssen morgen früh nach Hernystir aufbrechen.«
    »Darum möchte ich es Euch ja auch jetzt erzählen«, versetzte Jiriki geduldig.
    Eolair sah ihn starr an und zuckte dann die Achseln. »Also gut. Sprecht.«
    »Ist Euch kalt?«, erkundigte sich Jiriki mit der vorsichtigen Besorgtheit eines Wesens, das gelernt hat, dass im Gegensatz zu ihm selbst andere Geschöpfe unter den Auswirkungen der Elemente leiden können. »Wir können uns an eines der

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