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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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alles kümmern? Als Aufseher in der Königsschmiede?«
    Der Priester sah den grauhaarigen, rußgeschwärzten Mann unfreundlich an. »Klärt das unter euch.« Er gab den wartenden Soldaten ein Zeichen und winkte etwa die Hälfte der zwanzig Mann heraus. »Ihr bleibt hier unten. Vergeudet eure Zeit nicht damit, Inchs Kumpane zu schützen – ich hätte ihm die Aufsicht über die Schmiede gar nicht so lange überlassen sollen. Von euch verlange ich nur, dass das Rad im Wasser bleibt. Die Dinge, die es antreibt, sind viel zu wichtig, als dass sich Dummheiten wie diese wiederholen dürften. Denkt daran: Wenn dieses Rad noch einmal aufhört, sich zu drehen, sorge ich dafür, dass euch das sehr, sehr leid tut.«
    Die bezeichneten Wachen nahmen entlang der Wasserrinne Aufstellung, während die übrigen Soldaten in langer Reihe die Schmiede verließen. Pryrates blieb in der Tür stehen und schaute sich um. Unter den gleichgültigen Blicken der Wachen hatte sich um Inchs obersten Schergen rasch ein immer enger werdender Ring grimmig aussehender Schmiedeknechte gebildet. Pryrates lachte und ließ die Tür knirschend hinter sich ins Schloss fallen.

    Josua fuhr erschrocken von seinem Hocker auf. Der Wind heulte wild, und die Gestalt im Zelteingang schien einem Riesen zu gehören.
    »Wer ist da?«
    Isgrimnur, der während ihres langen Schweigens eingenickt war, schnaubte überrascht und tastete nach dem Griff von Kvalnir.
    »Ich halte es nicht länger aus.« Herr Camaris schwankte in der Türöffnung wie eine Eiche im Sturm. »O Gott, schütze mich, Gott, schütze mich … ich höre es jetzt sogar, wenn ich wach bin. In der Dunkelheit höre ich überhaupt nichts anderes mehr.«
    »Was meint Ihr?« Josua stand auf und ging zu ihm. »Ihr seid krank, Camaris. Kommt, setzt Euch ans Feuer. Das ist kein Wetter zum Herumwandern.«
    Camaris schüttelte seine Hand ab. »Ich muss gehen. Es ist Zeit. Ich höre das Lied ganz deutlich. Es ist Zeit.«
    »Zeit wozu? Wohin gehen? Isgrimnur! Kommt und helft mir.«
    Der Herzog rappelte sich mühsam auf; seine steifen Glieder und die noch immer empfindlichen Rippen schmerzten, und er schnaufte. Er nahm Camaris beim Arm und merkte, dass die Muskeln so hart waren wie nasse Knoten.
    Er ist ja fast von Sinnen vor Angst! Beim Erlöser, wer hat ihm das angetan?
    »Setzt Euch doch«, wiederholte Josua und drängte Camaris zu einem Hocker. »Sagt uns, was Euch fehlt.«
    Der alte Ritter riss sich brüsk los und machte ein paar unsichere Schritte rückwärts, hinaus in den Schnee. Dorns lange Scheide schlug gegen sein Bein. »Sie rufen einander. Sie brauchen einander. Die Klinge geht, wohin sie will. Es ist Zeit.«
    Josua folgte ihm nach draußen auf den Berghang. Isgrimnur humpelte bestürzt und sorgenvoll hinterher und zog sich vor dem Wind den Mantel zu. Unter ihnen lag der Kynslagh, eine weite dunkle Fläche hinter dem alles bedeckenden Weiß. »Ich verstehe Euch nicht, Camaris!«, übertönte der Prinz den Wind. »Wozu ist es Zeit?«
    »Seht!« Der Alte warf den Arm hoch und deutete in die trüben Sturmwolken. »Seht Ihr es denn nicht?«
    Isgrimnur und Josua blickten zum Himmel auf. Dort brannte ein roter Fleck in düsterer Glut. »Der Erobererstern?«, fragte der Herzog.
    »Sie fühlen es. Es ist Zeit.« Wieder ging Camaris einen Schritt zurück und schaukelte dabei, als könnte er jeden Moment rücklings den Berg hinunterfallen. »Gott gebe mir Kraft. Ich kann mich nicht länger dagegen wehren.«
    Josua warf dem Herzog einen Blick zu, in dem die stumme Bitte um Hilfe lag. Isgrimnur kam näher. Wieder fassten die beiden Camaris’ Arme. »Kommt ins Zelt, heraus aus der Kälte«, bat Josua.
    Herr Camaris befreite sich mit einem einzigen Ruck aus ihrem Griff – wie jedes Mal staunte Isgrimnur, wie stark er war –, und seine Hand irrte sekundenlang zu Dorns silberumhülltem Heft.
    »Camaris!«, rief Isgrimnur entsetzt. »Ihr wollt die Klinge gegen uns ziehen? Gegen Eure Freunde?«
    Der Alte starrte ihn mit seltsam ziellosem Blick an. Dann merkte der Herzog, wie die Verkrampfung allmählich nachließ. »Gott steh mir bei, es ist das Schwert. Es singt zu mir. Es weiß, wohin es will. Dort hinein.« Er deutete mit schlaffer Hand auf die dunkle Masse des Hochhorsts.
    »Und wir werden Euch dorthin bringen – Euch und auch das Schwert«, sagte Josua gelassen. »Allerdings gibt es vorher noch eine Kleinigkeit zu erledigen – wir müssen erst einmal eine Bresche in die Mauer schlagen.«
    »Da gibt es noch

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