Der Engelsturm
andere Wege«, sagte Camaris, aber sein Anfall von Wildheit war vorbei. Er ließ zu, dass sie ihn in Josuas Zelt führten.
Der alte Ritter leerte den Becher, den Josua ihm gefüllt hatte, mit einem einzigen Zug; ein zweiter Becher folgte. Das beunruhigte Isgrimnur fast ebenso sehr wie die merkwürdigen Reden, denn Camaris war als mäßiger Mann bekannt. Aber der alte Ritter sah so verstört aus, dass ihm im Augenblick vielleicht alles willkommen war, das Erleichterung von den Qualen brachte, die Dorn ihm zufügte.
Sagen wollte Camaris nichts mehr, obwohl Josua ihn dringendbat, ihnen weitere Einzelheiten mitzuteilen. Isgrimnur fand, dass er dabei ungewöhnlich rücksichtsvoll, zugleich aber sehr ungeschickt vorging. Seit jener Nacht auf dem Schiff war Isgrimnur bei Josua eine veränderte Haltung gegenüber Camaris aufgefallen. Es war, als bereite die bloße Anwesenheit des alten Mannes dem Prinzen heftiges Unbehagen. Nicht zum ersten Mal grübelte Isgrimnur darüber nach, was Camaris dem Prinzen wohl Schreckliches anvertraut hatte.
Nach einer Weile gab Josua es auf und setzte sein vom Erscheinen des Ritters unterbrochenes Gespräch mit Isgrimnur fort.
»Wir wissen jetzt, dass innerhalb der Burgmauern immer noch ein Heer lagert – von beträchtlicher Stärke und zusammengesetzt aus Thrithingsöldnern und der Erkynwache.« Er runzelte die Stirn. »Mein Bruder zeigt mehr Geduld, als ich angenommen hätte. Nicht einmal bei unserer Landung hat er sie einen Ausfall unternehmen lassen.«
»Geduld … vielleicht hat er aber auch etwas viel Schlimmeres mit uns vor.« Der Herzog zupfte sich am Bart. »Im Übrigen wissen wir gar nicht, ob Euer Bruder noch am Leben ist. Erchester ist so gut wie menschenleer, und die wenigen Leute, die wir dort noch finden konnten, würden es nicht merken, wenn Fingil selbst aus seinem Grab gestiegen wäre und wieder auf dem Drachenbeinthron säße.«
»Mag sein.« Der Prinz schien zu zweifeln. »Aber ich habe das Gefühl, dass ich es wissen würde, wenn Elias tot wäre. Und auf jeden Fall haben wir es selbst dann, wenn Pryrates ihn besiegt oder sich selbst den Thron angeeignet hat, immer noch mit dem Sturmkönig zu tun – und dem zornigen Stern.«
Isgrimnur nickte. »O ja, da drin ist jemand. Jemand, der unsere Pläne kennt. Und der das Schwert Eures Vaters genommen hat.«
Josuas Miene verdüsterte sich. »Ja, das war ein Schlag. Aber als ich sah, dass auf dem Swertclif keine Wachen standen, hatte ich ohnehin nicht mehr viel Hoffnung, dass wir das Schwert dort finden würden.«
»Wir wussten immer, dass wir in den Hochhorst hineinmüssten, um an dieses Feenschwert – Leid – heranzukommen.« Isgrimnur zupfte von neuem an seinem Bart und schnaubte angewidert. Kriegewaren auch ohne diese magischen Verwicklungen schwierig genug. »Wir können genauso gut für zwei Klingen wie für eine kämpfen.«
»Wenn es sich überhaupt in diesen Mauern befindet«, meinte Josua. »Dieses Loch im Grabhügel meines Vaters sieht mir nach einer überstürzten Angelegenheit aus – nicht, wie ich es von Pryrates oder meinem Bruder erwarten würde, die ihr Tun vor niemandem zu verbergen brauchen.«
»Aber wer könnte es sonst gewesen sein?«
»Wir wissen immer noch nicht, was aus meiner Nichte, Simon und dem Troll geworden ist.«
»Ich glaube kaum, dass Miriamel oder der junge Simon die Klinge genommen und sich dann einfach abgesetzt hätten«, brummte Isgrimnur. »Wenn man nur wüsste, wo sie stecken! Sie wissen doch, welchen Wert Hellnagel für uns hat.«
Ein plötzlicher Aufschrei von Camaris ließ den Herzog zusammenzucken.
»Alle Schwerter! Bei Gottes Nägeln, ich kann sie fühlen, alle drei! Sie singen zueinander – und zu mir!« Er seufzte tief. »Ach, Josua, wenn ich sie doch nur zum Schweigen bringen könnte.«
Der Prinz drehte sich zu ihm um. »Könnt Ihr Hellnagel tatsächlich spüren?«
Der alte Ritter nickte. »Es ist eine Stimme. Ich kann es nicht erklären, aber ich höre sie – und Dorn hört sie auch.«
»Und wisst Ihr, wo das Schwert ist?«
Camaris schüttelte den Kopf. »Nein. Das, was mich ruft, ist zwar ein Teil von ihm, aber es hat keinen Ort. Aber die drei wollen zueinander, und zwar innerhalb dieser Mauern. Sie müssen zueinander. Die Zeit wird knapp.«
Josua verzog das Gesicht. »Das klingt, als hätten Binabik und die anderen recht gehabt. Die Stunden vergehen; wenn uns die Schwerter noch etwas nützen sollen, müssen wir sie bald finden und endlich
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