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Der Engelsturm

Der Engelsturm

Titel: Der Engelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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schlau! Der König käme in tausend Jahren nicht auf einen solchen Gedanken.« Strangyeard, der sich gerade wild die Hände rieb, damit sie nicht abfroren, hielt abrupt inne. »Der König vielleicht nicht – aber seine Verbündeten müssten von den Tunneln wissen.« Seine Stimme zitterte. »Die Nornen kennen sie bestimmt.«
    »Darum ist ja auch unser Feenvolk dem Prinzen und Camaris gefolgt. Ich habe sie gesehen, Aditus Bruder und ihre Mutter und die anderen, und ich zweifle keinen Augenblick daran, dass sie sich zu wehren wissen, wenn die Nornen sie dort erwarten, wie Ihr offenbar annehmt.«
    »Das ist es nicht , was ich annehme.« Strangyeard stand auf. Schnee fiel von ihm ab und wurde sofort vom Wind fortgerissen. »Ich vermute etwas ganz anderes. Die Nornen wissen alles über die Tunnel.« Er stieg über das Mäuerchen und wischte dabei mehrere Steine herunter.
    »He! Was habt Ihr vor?«
    »Ich muss sofort zu Herzog Isgrimnur. Wir sind in größerer Gefahr, als wir gedacht haben.« Er drehte sich um und watete durch die Schneewehen bergab. Gebrechlich, aber entschlossen stemmte er sich gegen den Wind.
    »Strangyeard!«, rief Sangfugol. »Verflucht, ich bleibe nicht allein hier oben. Ich komme mit Euch, ganz gleich, was für einen Irrsinn Ihr anstellen wollt.« Er folgte dem Archivar über den kleinen Wall. »Ihr lauft ja mitten ins Gefecht!« schrie er. »Ein Pfeil wird Euch treffen!«
    »Ich muss Isgrimnur finden!«, rief Strangyeard zurück.
    Kräftig fluchend eilte der Harfner ihm nach.»Isorn hat recht, Herr«, meinte Sludig. »Wenn das Tor offen ist, müssen wir einen Großangriff wagen. Die Männer haben die Nornen gesehen und Angst bekommen. Zögern wir, ist der Vorteil wieder auf Seiten des Königs. Wer weiß, was geschieht, wenn er einen Ausfall versucht; immerhin kämpfen wir bergauf.«
    Isgrimnur starrte auf die hohen Mauern der Feste. Im tobenden Sturm erschien selbst ein so mächtiges Gebäude wie der Hochhorst beinahe klein. Vielleicht gelang es ihnen tatsächlich, das Tor zu sprengen. Vielleicht hatten Sludig und die anderen ja recht – Elias’ Königreich war wie eine überreife Frucht, die nur darauf wartete, bei der geringsten Berührung vom Stengel zu fallen.
    Über den Turmspitzen flackerte von neuem einer der sonderbaren Lichtblitze auf. Der Donner rollte, aber gleich danach ertönte das laute Krachen des Rammbocks, der gegen das Tor prallte.
    »Also gut – geht«, sagte Isgrimnur zu Sludig. Sein Gefolgsmann war nicht abgestiegen, sondern hatte sein dampfendes Ross neben das Holzgerüst gelenkt, auf dem der Herzog stand. »Hotvig wartet mit seinen Reitern am Rand des Kynswaldes. Oder nein – bleibt Ihr lieber hier.« Isgrimnur rief einen der frisch eingetroffenen Meldereiter, gab ihm eine Botschaft für die Thrithingmänner mit und schickte ihn fort. »Geht Ihr zu Isorn zurück, Sludig. Sagt ihm, er soll die Stellung halten und die ersten Bewaffneten zu Fuß vorrücken lassen. Hier unten findet kein mehrstufiger Angriff statt, zumindest nicht, bevor ich sehe, womit Elias uns erwartet.«
    Noch während er das sagte, schmetterte der Rammbock wieder gegen das Nerulagh-Tor. Die Balken schienen ein kleines Stück nach innen zu sacken, als hätte jemand die gewaltigen Riegel gelockert.
    »Jawohl, Herr.« Sludig lenkte sein Schlachtross zu den Mauern.
    Wieder ließen die Angreifer ihre schwere Waffe vorschnellen. Der eisenbeschlagene Kopf traf krachend das Hindernis. Ein breiter Streifen Holz splitterte von der ganzen Länge des Tors. Selbst im Tosen des Sturms konnte Isgrimnur die erregten Rufe der Männer auf dem ganzen Schlachtfeld hören. Der Rammbock wurde wieder zurückgezogen und von neuem in Bewegung gesetzt. Das Nerulagh-Tor barst und fiel in einer Wolke zerschmetterter Balken und stürzender Steine nach innen. In der Lücke wirbelte Schnee auf.Isgrimnur traten die Augen aus den Höhlen. Er konnte nicht glauben, dass das Tor gefallen war. Als der Schnee herabgesunken war, füllte sich die Öffnung mit einigen Dutzend Spießkämpfern aus der Burg, die abwehrbereit stehen blieben. Kein großes, bisher verstecktes Heer stürmte hervor.
    Eine lange Minute verging, in der die Gegner einander durch das Schneegestöber anstarrten. Es war, als wagte niemand, den ersten Schritt zu tun, als seien beide Seiten verblüfft von dem, was geschehen war. Dann hob eine kleine Gestalt mit goldenem Helm ihr Schwert und preschte vor. Zwanzig Ritter zu Pferd und mehrere Hundert Fußsoldaten strömten auf

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