Der Engelsturm
Leiter angestellt. Soldaten schwärmen hinauf.« Gleich darauf stieß er einen überraschten, entsetzten Schrei aus.
»Was seht Ihr?« Strangyeard kniff sein Auge zusammen und versuchte, durch das Schneegestöber zu spähen.
»Man hat etwas auf sie heruntergeworfen«, sagte der Harfner erschüttert. »Ich glaube, es war ein großer Stein. Bestimmt sind sie alle tot.«
»Möge der Erlöser uns beschirmen«, antwortete Strangyeard betrübt. »Jetzt hat es wirklich angefangen, und wir können nur noch auf das Ende warten, wie immer es ausfallen mag.«
Isgrimnur hielt die Hände vor das Gesicht und versuchte, sich vor dem Schnee zu schützen, den ihm der Wind entgegentrieb. Er hatte die größte Mühe, den Ereignissen zu folgen, obgleich die Mauern des Hochhorsts keine fünfhundert Ellen über dem Hang lagen, vondem aus er alles beobachtete. In den Schneewehen vor dem Wall drängten sich Hunderte von Gepanzerten, emsig wie Insekten. Hunderte andere, von Isgrimnurs Warte nur undeutlich zu erkennen, liefen auf der Brustwehr des Hochhorsts hin und her. Der Herzog fluchte leise. Es sah alles so verdammt weit weg aus!
Jetzt kam Freosel auf den hölzernen Gefechtsstand geklettert, den die Baumeister zwischen dem Fuß des Hügels und der leeren, sturmgebeutelten Hülle der Stadt Erchester errichtet hatten. Der Mann aus Falshire hatte alle Mühe, sich gegen den Wind zu stemmen. »Der Rammbock hat das Tor fast erreicht. Der Wind ist heute unser Freund – er macht es ihren Bogenschützen nicht gerade leicht.«
»Aber wir schießen auch nicht besser«, knurrte der Herzog. »Sie können wenigstens ungehindert auf ihren Mauern herumlaufen und in aller Ruhe unsere Sturmleitern umstoßen.« Er schlug sich krachend mit der Faust in den Handschuh.
»Die Sonne ist schon vor Stunden aufgegangen, und alles, was uns bisher gelungen ist, sind ein paar in den Schnee getrampelte Gräben.«
Der Falshirer sah ihn fragend an. »Um Vergebung, Herzog, aber Ihr meint wohl, wir müssten diese Mauern noch vor Sonnenuntergang einreißen!«
»Nein, nein. Gott weiß, dass der Hochhorst stark befestigt ist. Aber ich bin nicht sicher, wie viel Zeit wir noch haben.« Er blickte zum trüben Himmel auf. »Dieser verfluchte Stern, von dem sie alle faseln, steht genau über uns. Ich kann fast fühlen, wie er mich böse anglotzt. Der Prinz und Camaris sind fort. Miriamel auch.« Er starrte durch das Schneegestöber auf den Hochhorst. »Und unsere Männer werden uns noch anfrieren, wenn wir sie zu lange da draußen lassen. Ich wünschte, wir könnten die Mauern tatsächlich bis Sonnenuntergang einreißen – aber ich habe nicht viel Hoffnung.«
Isorn zeigte nach oben. Die Soldaten ringsum folgten seinem Blick.
»Dort. Auf den Mauern.«
Neben den behelmten Köpfen, die durch die Schießscharten lugten,zeigten sich jetzt eine ganze Reihe anderer, die barhaupt waren; sie hatten gespenstische Gesichter und weißes, im scharfen Wind flatterndes Haar.
»Weißfüchse?«, fragte Sludig und schlug das Zeichen des Baumes.
»Allerdings. Im Hochhorst. Verfluchte Unholde!« Isorn hob sein schwarzgestrichenes Schwert und schwenkte es herausfordernd, aber die fernen Figuren auf der Mauer schienen es gar nicht zu bemerken. »Und verflucht soll auch Elias sein, ganz gleich, welchen widerlichen Pakt er mit ihnen geschlossen hat!«
Auch Sludig starrte sie an. »Ich habe noch nie welche gesehen!«, schrie er durch das Getümmel. »Barmherziger Ädon, sie sehen aus wie Dämonen!«
»Es sind Dämonen. Und der Hochhorst ist jetzt ihr Hauptquartier.«
»Aber ich sehe nicht, dass sie etwas tun.«
»Ein Glück«, versetzte Isorn. »Vielleicht sind es zu wenige. Aber sie sind erschreckend gute Schützen. Ich frage mich nur, wieso keiner einen Bogen zu haben scheint.«
Sludig schüttelte verwundert den Kopf. Er konnte den Blick nicht von den bleichen Gesichtern wenden. »Ädon bewahre uns«, flüsterte er heiser.
Baron Seriddan, schwerfällig von der Last seiner Rüstung, erklomm die Stufen des Gefechtsstands.
»Was gibt es Neues?«, fragte Isgrimnur.
Seriddan streifte die Handschuhe ab und hielt die Hände über das Kohlenbecken. »Eigentlich läuft alles gut. Elias’ Männer beschießen den Rammbock, und natürlich kommt er bergauf nur langsam voran. Aber er wird trotzdem bald am Tor sein. Auch einige von den Belagerungstürmen werden jetzt in Stellung gebracht; der Gegner scheint seine Pfeile darauf zu konzentrieren. Wir haben Glück, dass es heute so
Weitere Kostenlose Bücher