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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Gessler, weil ich's satt habe, mit ansehen zu müssen, wie mein Land von einer Bande verdammter Ausländer wegen Dingen, die sich vor meiner Geburt ereignet haben, durch den Dreck gezogen wird.«
    »Ihr Land hat von den Nazis geraubtes Gold in harte Devisen umgetauscht. Es hat das Zahngold und die Eheringe ermordeter Juden in Devisen umgetauscht. Tausende von verängstigten Juden haben ihre gesamten Ersparnisse auf Schweizer Banken deponiert, bevor sie in die Todeslager abtransportiert wurden, und Ihre Banken haben dieses Geld behalten, statt es den rechtmäßigen Erben auszuzahlen.«
    »Was hat das mit mir zu tun? Sechzig Jahre! Das alles ist sechzig Jahre her! Wieso können wir nicht endlich einen Schlußstrich ziehen? Warum müßt ihr mein Land wegen des Fehlverhaltens einiger geldgieriger Bankiers vor sechs Jahrzehnten zu einem Paria innerhalb der Staatengemeinschaft machen?«
    »Weil ihr euer Unrecht eingestehen müßt. Und dann müßt ihr Wiedergutmachung leisten.«
    »Geld? Ja? Ihr wo llt Geld? Ihr kritisiert uns Schweizer wegen unserer angeblichen Geldgier, aber in Wirklichkeit wollt ihr nur Geld von uns, als ob ein paar Dollar alles in der Vergangenheit verübte Unrecht sühnen könnten.«
    »Das ist nicht euer Geld. Es hat dazu beigetragen, dieses Binnenland von der Größe eines Vergnügungsparks zu einem der reichsten Länder der Welt zu machen, aber es ist nicht euer Geld.«
    In der Hitze des Streits war Gabriel so schnell gefahren, daß Lavons Abstand sich auf einige hundert Meter vergrößert hatte.
    Er gab weniger Gas, damit Lavon wieder aufschließen konnte, und ärgerte sich über sich selbst. Wie konnte er nur so dämlich sein, jetzt mit Gerhardt Peterson über moralische Fragen der Schweizer Geschichte zu debattieren?
    »Bevor wir mit Gessler reden, brauche ich noch eine Auskunft von Ihnen.«
    »Sie wollen wissen, woher ich wußte, daß Sie an der Ermordung Hamidis beteiligt waren.«
    »Ja.«

    »Vor einigen Jahren - acht oder neun, das weiß ich nicht mehr - hat ein Palästinenser mit dubioser Vergangenheit eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt, um vorübergehend in Genf leben zu können. Für diese Genehmigung und unsere Zusicherung, den Mossad nicht über seinen Aufenthalt in der Schweiz zu informieren, wollte der Palästinenser sich revanchieren, indem er sich erbot, uns den Namen des israelischen Agenten zu nennen, der Hamidi liquidiert hatte.«
    »Wie hat dieser Palästinenser geheißen?« fragte Gabriel, obwohl er Petersons Antwort nicht abzuwarten brauchte. Er wußte, wie er hieß. Er hatte es vermutlich von Anfang an gewußt.
    »Tariq al-Hourani. Er hat in Wien den Sprengsatz unter Ihrem Auto angebracht, stimmt's? Er hat Ihre Familie ausgelöscht.«
    Etwa acht Kilometer vor Otto Gesslers Chalet hielt Gabriel unter den ersten Bäumen eines dichten Tannenwalds am Straßenrand und stieg aus. Inzwischen war es später Nachmittag, das Tageslicht schwand rasch, und die Temperatur lag einige Grad unter dem Gefrierpunkt. Über ihnen ragte ein teilweise in Wolken gehüllter Berggipfel auf. Welcher aus dem berühmten Trio? fragte Gabriel sich. Mönch, Eiger oder Jungfrau? Aber eigentlich kümmerte ihn das nicht. Er wollte die Sache nur zu Ende bringen und dann aus diesem Land verschwinden, um es nie mehr zu betreten.
    Als er durch fünfzehn Zentimeter Naßschnee ums Heck des Mercedes herumstapfte, stellte er sich eine Szene vor: Tariq erzählte Peterson mit triumphierendem Grinsen von dem Bombenanschlag in Wien. Er mußte sich gewaltig beherrschen, um Peterson nicht aus dem Wagen zu zerren und bewußtlos zu prügeln. In diesem Augenblick wußte er nicht genau, wen er mehr haßte - Tariq oder Peterson.
    Gabriel öffnete die Handschellen und ließ Peterson über die Mittelkonsole kriechen, damit er ans Steuer kam. Oded stieg aus, ging nach hinten und setzte sich zu Eli Lavon in den Kastenwagen. Gabriel nahm Petersons bisherigen Platz auf dem Beifahrersitz ein und stieß ihm die Mündung der Beretta in die Rippen, um ihn zum Weiterfahren aufzufordern.
    Im Tal vor ihnen wurde es langsam dunkel. Peterson fuhr mit beiden Händen am Lenkrad, und Gabriel ließ ihn weiter die Beretta sehen. Etwa drei Kilometer vor Gesslers Chalet bremste Lavon und hielt am Straßenrand. Gabriel drehte sich um und beobachtete, wie die Scheinwerfer des Kastenwagens erloschen.
    Jetzt waren sie allein.
    »Erzählen Sie mir den Ablauf noch mal«, verlangte Gabriel und brach damit das Schweigen.
    »Den haben wir schon ein

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