Der Engländer
Dutzend Mal durchgesprochen«, wandte Peterson ein.
»Ist mir egal. Ich will noch mal alles von Ihnen hören.«
»Sie sind Herr Meyer.«
»Was tue ich?«
»Sie sind einer meiner Mitarbeiter in der Sektion Auswertung/Abwehr.«
»Warum nehmen Sie mich ins Chalet mit?«
»Weil Sie wichtige Erkenntnisse über die Aktivitäten des lästigen Juden Gabriel Allon haben. Herr Gessler soll die Möglichkeit erhalten, sich darüber aus erster Hand zu informieren.«
»Und was tue ich, wenn Sie in irgendeinem Punkt von diesem Drehbuch abweichen?«
»Das sage ich nicht noch mal.«
»Los, sagen Sie's!«
»Sie können mich mal!«
Gabriel hielt ihm die Beretta unter die Nase, bevor er sie in seinen Hosenbund steckte. »Ich jage Ihnen eine Kugel in den Kopf. Und dem Wachmann verpasse ich auch eine. Genau das tue ich.«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte Peterson. »Das ist das einzige, worauf Sie sich verstehen.«
Anderthalb Kilometer weiter kamen sie an eine Privatstraße ohne Wegweiser. Peterson schaltete herunter und nahm die Kurve recht gekonnt in solchem Tempo, daß Gabriel durch die Fliehkraft an seine Tür gedrückt wurde. Er fürchtete einen Augenblick lang, Peterson wolle Dummheiten machen, aber dann wurde der Wagen langsamer, und sie glitten die schmale Straße entlang, auf der am Beifahrerfenster Bäume vorbeihuschten wie Überlebende, die aus einem Katastrophengebiet flüchten.
Die Privatstraße endete an einem Eisentor zwischen Steinsäulen, das so massiv aussah, als könnte es einen gepanzerten Mannschaftstransportwagen aufhalten. Als sie darauf zufuhren, trat ein Wachmann ins Scheinwerferlicht und schwenkte die Arme, um ihnen zu signalisieren, sie sollten anhalten. Er trug einen unförmigen blauen Anorak, der nicht verbergen konnte, daß er gut bewaffnet war, und eine mit Schnee bedeckte Wollmütze.
Peterson ließ sein Fenster herab. »Mein Name ist Gerhardt Peterson. Ich möchte zu Herrn Gessler. Ich muß ihn in einer dringenden Angelegenheit sprechen.«
»Gerhard Peterson?«
»Ganz recht.«
»Und wer ist Ihr Begleiter?«
»Sein Name ist Meyer, ein Kollege aus dem Dienst. Ich kann mich für ihn verbürgen.«
Der Wachmann murmelte ein paar unverständliche Sätze in sein Handfunkgerät. Im nächsten Augenblick öffnete sich das Tor automatisch, und der Mann trat beiseite und winkte sie durch.
Peterson fuhr in mäßigem Joggingtempo weiter. Gabriel sah neugierig nach vorn: Halogenscheinwerfer in den Bäumen, ein weiterer Wachmann in Blau, der mit einem wild an der Leine zerrenden Schäferhund unter den Bäumen Streife ging. Großer Gott, dachte er, hier sieht's aus wie in Hitlers »Wolfsschanze«.
Noch etwas Bandstacheldraht und ein paar Minenfelder, dann wäre die Illusion komplett.
Vor ihnen hörten die Bäume auf, und die Lichter des Chalets tauchten durch dünne weiße Schneeschleier gedämpft auf. Als Peterson auf den Besucherparkplatz fahren wollte, vertrat ein weiterer Wachmann ihnen den Weg. Dieser Mann machte keinen Versuch, die vor seiner Brust hängende kompakte Maschinenpistole zu verbergen. Peterson ließ erneut sein Fenster herunter, und der Wachmann steckte sein breites, gerötetes Gesicht in den Wagen.
»Guten Abend, Herr Peterson. Herr Gessler ist gerade zur Schwimmhalle unterwegs. Er wird Sie dort empfangen.«
»Schön.«
»Sind Sie bewaffnet, Herr Peterson?«
Peterson schüttelte den Kopf. Der Wachmann sah zu Gabriel hinüber. »Und was ist mit Ihnen, Herr Meyer? Sind Sie heute abend bewaffnet?«
»Nein.«
»Gut, dann kommen Sie bitte mit«, forderte der Wachmann sie auf.
Eine Kette von winzigen Lampen auf nur kniehohen Säulen markierte den Verlauf des Fußwegs. Hier lag viel mehr Schnee als unten im Tal - Gabriel schätzte, daß es über einen Viertelmeter geschneit hatte -, und jede vierte oder fünfte Lampe verschwand unter einer kleinen Schneewehe.
Peterson ging neben Gabriel her. Der stämmige Wachmann, der sie auf dem Besucherparkplatz in Empfang genommen hatte, ging jetzt voraus. Irgendwann war ein weiterer Mann hinter ihnen aufgetaucht. Gabriel glaubte, den heißen Atem eines Schäferhunds in einer Kniekehle zu spüren. Als das Tier seine Schnauze in Gabriels Hand steckte, riß der Hundeführer es an der Leine zurück. Der Wachhund reagierte mit einem Knurren - einem heiseren, bösartigen Knurren, von dem die Luft zwischen ihnen zu vibrieren schien. Braver Hund, dachte Gabriel. Tu bloß nichts, was den Scheißköter aufregen könnte.
Vor ihnen wurde die
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