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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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und meinen gesamten Besitz als Privatbank eintragen lassen. Diese Räume sind Bestandteil jener Bank - Tresorräume, wenn Sie so wollen. Folglich fallen die hier lagernden Vermögenswerte unter das strenge Schweizer Bankgeheimnis, und ich kann niemals gezwungen werden, meine Räume zu öffnen oder ihren Inhalt preiszugeben.«
    »Und das gefällt Ihnen?«
    »Allerdings«, bestätigte Gessler vorbehaltlos. »Auch wenn ich gezwungen würde, diese Räume zu öffnen, könnte man mir keine Straftat nachweisen. Sehen Sie, ich habe jedes einzelne dieser Gemälde nach Schweizer Recht völlig legal erworben.
    Selbst wenn es jemandem gelänge, zweifelsfrei zu beweisen, daß irgendein Werk in meiner Sammlung einem seiner Vorfahren von den Deutschen geraubt wurde, müßte er mich zum angemessenen Marktwert entschädigen. Da liegt es auf der Hand, daß die Kosten einer solchen Rückführung astronomisch hoch wären. Sie und Ihre Freunde in Tel Aviv können Lärm schlagen, soviel Sie wollen - niemand wird mich je dazu zwingen können, die Stahltüren meiner Galerie zu öffnen.«
    »Gessler, Sie sind ein Schwein!«
    »Ah, jetzt verfallen Sie auf Beschimpfungen und unflätige Ausdrücke. Sie machen uns Schweizer für eine Situation verantwortlich, für die wir nichts können. Den Krieg haben die Deutschen angefangen. Wir waren vernünftig genug, uns nicht hineinziehen zu lassen, und dafür wollen Sie uns jetzt bestrafen.«
    »Ihr habt euch nicht rausgehalten. Ihr habt mit Hitler kollaboriert! Ihr habt ihm Waffen geliefert, und ihr habt ihm Geld verschafft. Ihr wart seine Diener. Das Dienen liegt euch allen im Blut.«
    »Ja, unsere Neutralität hat sich finanziell gelohnt, aber wieso schneiden Sie dieses Thema jetzt an? Nach dem Krieg haben wir uns mit den Alliierten verglichen und Absolution erlangt, weil der Westen unser Geld zum Wiederaufbau Europas brauchte.
    Dann kam der kalte Krieg, und der Westen brauchte uns wieder.
    Jetzt ist der kalte Krieg vorbei, und plötzlich drängeln sich alle von beiden Seiten des Eisernen Vorhangs mit der Mütze in der Hand vor der Tür der Schweiz. Alle verlangen eine Entschuldigung. Alle fordern Geld. Aber eines Tages werdet ihr uns wieder brauchen. So war's schon immer. Deutsche Fürsten und französische Könige, arabische Scheichs und amerikanische Steuerhinterzieher, Drogenbarone und Waffenhändler - alles unsere Kunden. Mein Gott, sogar Ihr Geheimdienst nutzt unsere Dienstleistungen, wenn's gerade opportun ist! Sie selbst sind im Lauf der Jahre häufig Kunde der Credit Suisse gewesen. Also bitte, Herr Allon - steigen Sie für einen Augenblick von Ihrem moralischen hohen Roß und seien Sie vernünftig.«
    »Sie sind ein Dieb, Gessler. Ein gewöhnlicher kleiner Ganove.«
    »Ein Dieb? Nein, Herr Allon, ich habe nichts gestohlen. Als cleverer Geschäftsmann habe ich nicht nur ein ungeheures Privatvermögen angehäuft, sondern auch eine unvergleichliche Kunstsammlung zusammengetragen. Aber ich bin kein Dieb.
    Und was ist mit Ihnen und Ihrem Volk? Ihr prangert die angeblichen Verbrechen der Schweizer an, aber ihr habt euren Staat auf Land gegründet, das ihr anderen gestohlen habt.
    Gemälde, Möbel, Schmuck - das sind nur Sachen, die sich leicht ersetzen lassen. Land dagegen ist etwas ganz anderes. Land ist etwas für immer. Nein, Herr Allon, ic h bin kein Dieb, sondern ein Sieger, genau wie Sie und Ihr Volk.«
    »Scheren Sie sich zum Teufel, Gessler.«
    »Ich bin Calvinist, Herr Allon. Wir Calvinisten glauben, daß irdischer Reichtum denen gewährt wird, die dereinst ins himmlische Königreich aufgenommen werden. Sollte der Reichtum in diesen Räumen irgendein Anhaltspunkt sein, dürfte ich den Teufel wohl nie zu sehen bekommen. Wie dagegen Ihr nächstes Leben aussehen wird, dürfte ungewisser sein, fürchte ich. Sie können Ihre restliche Lebensspanne weniger unerfreulich gestalten, indem Sie mir eine einfache Frage beantworten: Wo sind die Gemälde, die Sie aus Augustus Rolfes Bankschließfach geholt haben?«
    »Welche Gemälde?«
    »Diese Gemälde gehören mir. Ich kann durch eine Urkunde beweisen, daß Rolfe sie mir kurz vor seinem Tod übertragen hat.
    Diese Bilder sind mein rechtmäßiges Eigentum, und ich will sie zurückhaben.«
    »Darf ich die Urkunde bitte sehen?«
    »Wo sind die Gemälde?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Gessler ließ Gabriels Arm los. »Führt ihn bitte ab.«

46 - NIDWALDEN, SCHWEIZ
    Die Wirkung des Schmerzmittels klang ab, womit Gabriel gerechnet hatte,

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