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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Pistolengriff. »Was für Vorbereitungen haben Sie getroffen?«
    »Ich habe Ihre beiden Freunde aufgespürt. Sie hatten sich in einem Gasthaus im Dorf verkrochen. Die beiden warten unten an der Grundstücksgrenze in der Nähe der Stelle, wo Sie sich gestern von Ihnen getrennt haben.«
    Gestern? Lag das alles erst einen Tag zurück? Gabriel erschien es wie ein Jahr. Wie ein ganzes Leben.
    »Vor dieser Tür hält ein einzelner Mann Wache. Den müssen Sie als ersten ausschalten. Lautlos. Schaffen Sie das? Sind Sie stark genug?«
    »Ich komme schon zurecht.«
    »Folgen Sie dem Korridor nach rechts. An seinem Ende erreichen Sie eine Treppe, die zu einer Tür hinaufführt. Durch sie gelangen Sie ins Freie. Von dort aus ge hen Sie einfach bergab weiter, bis Sie auf Ihre Freunde stoßen.«
    Zwischen Wachmännern und Schäferhunden hindurch, dachte Gabriel.
    »Verlassen Sie die Schweiz auf dem Weg, auf dem wir gestern gekommen sind. Ich sorge dafür, daß es an der Grenze keine Schwierigkeiten gibt.«
    »Und was wird aus Ihnen?«
    »Ich erzähle ihnen, daß ich bei Ihnen war, um ein letztes Mal zu versuchen, Sie dazu zu überreden, mir zu sagen, wo Rolfes Gemälde versteckt sind. Ich behaupte, Sie hätten mich niedergeschlagen und seien geflüchtet.«
    »Wird man Ihnen das glauben?«
    »Vielleicht, aber vielleicht ende ich auch in der für Sie reservierten Gletscherspalte.«
    »Kommen Sie mit.«
    »Meine Frau, meine Kinder.« Dann fügte er hinzu: »Meine Heimat.«

    »Weshalb tun Sie das? Warum lassen Sie nicht einfach zu, daß diese Leute mich beseitigen, damit Sie mich vom Hals haben?«
    Und daraufhin erzählte Peterson ihm, was sich während des Kriegs in seinem Heimatdorf ereignet hatte die Geschichte von den Juden, die auf der Suche nach einem sicheren Hafen aus Frankreich in die Schweiz geflüchtet waren, nur um von den Schweizer Behörden über die Grenze in die Arme der wartenden Gestapo abgeschoben zu werden.
    »Nach dem Tod meines Vaters habe ich in seinem Arbeitszimmer die nachgelassenen Papiere sortiert, um seine Ange legenheiten zu regeln. Dabei habe ich ein amtliches Schreiben gefunden. Ein Anerkennungsschreiben der Kantonspolizei. Wissen Sie, wofür er belobigt wurde? Mein Vater hatte damals die Anwesenheit einer jüdischen Familie in unserem Dorf gemeldet. Durch die Schuld meines Vaters war sie den Deutschen in die Hände getrieben und ermordet worden. Ich will nicht noch mehr jüdisches Blut an den Händen der Familie Peterson. Ich will, daß Sie hier lebend rauskommen.«
    »Wenn der Sturm losbricht, kann's für Sie unangene hm werden.«
    »Über die Gipfel unserer Schweizer Berge fegen oft wütende Stürme hinweg. Auf dem Jungfraujoch werden manchmal Windgeschwindigkeiten von über dreihundert Stunden-kilometern gemessen. Aber wenn die Stürme Bern und Zürich erreichen, haben sie meistens nicht mehr viel Kraft. Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf.«
    Peterson zog Gabriel hoch.
    »Eins zu drei?«
    »Wenn Sie Glück haben.«
    Gabriel blieb neben der Tür stehen. Peterson schlug zweimal mit der Faust ans Holz. Einen Augenblick später wurden die Riegel aufgezogen, die Tür ging auf, und der Wachposten trat über die Schwelle. Gabriel baute sich vor ihm auf, mobilisierte seine letzten Kraftreserven und rammte die Mündung der Beretta in die linke Schläfe des Wachmanns. Peterson bemühte sich vergeblich, an der Halsschlagader einen Puls zu finden. »Sehr eindrucksvoll, Gabriel. Ziehen Sie seine Jacke an.«
    »Auf der sind Blutflecken.«
    »Los, machen Sie schon! Tragen Sie diese blaue Jacke, zögern die anderen, bevor sie auf Sie schießen, und Sie brauchen sie als Kälteschutz. Nehmen Sie auch seine Maschinenpistole mit - für den Fall, daß Sie eine wirksamere Waffe als Ihre Beretta brauchen.«
    Peterson half Gabriel, dem Toten die Jacke auszuziehen. Er wischte das Blut notdürftig auf dem Fußboden ab und zog sie an. Dann hängte er sich die Maschinenpistole über die linke Schulter. Die Beretta behielt er in der rechten Hand.
    »Jetzt mich«, sagte Peterson. »Es muß überzeugend wirken, aber nicht ganz so unwiderruflich sein.«
    Bevor Peterson sich auf den Schmerz gefaßt machen konnte, traf Gabriel ihn mit dem Griff der Beretta am Wangenknochen, über dem die Haut aufplatzte. Peterson schwankte kurz, blieb jedoch auf den Beinen. Er berührte die Wunde mit den Fingerspitzen, dann betrachtete er das Blut.
    »Als Sühne vergossenes Blut, ja?«
    »Irgendwas in dieser Art.«
    »Los jetzt!«

47 - NIDWALDEN,

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