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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ungefähr  vier Jahren?«
    »Ja.«
    »Welches Gemälde?«
    »Wie bitte?«
    »Dieses Gemälde, das Sie in Berlin restauriert haben. Von wem war es? Welchen Titel hatte es?«
    »Tut mir leid, das ist vertraulich.«
    »Jetzt ist nichts mehr vertraulich, Signor Delvecchio. Ich will den Titel des Gemäldes und den Namen seines Besitzers.«
    »Das Gemälde war ein Caravaggio in Privatbesitz. Bedaure, den Namen des Besitzers darf ich nicht preisgeben.«
    Peterson streckte dem Kommissar eine Hand hin, ohne ihn anzusehen. Baer übergab ihm ein einzelnes Blatt Papier aus seinem Ordner. Peterson betrachtete es mit betrübter Miene, als habe der Patient nicht mehr lange zu leben.
    »Wir haben Ihren Namen in unseren Fahndungscomputer eingegeben, um zu sehen, ob Sie zufällig mit Schweizer Haftbefehl gesucht werden. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß nichts gegen Sie vorliegt - nicht mal ein Strafmandat wegen eines Verkehrsvergehens. Wir haben unsere Freunde jenseits der Grenze in Italien gebeten, das gleiche zu tun. Auch dort liegt nichts gegen Sie vor. Aber unsere italienischen Freunde haben uns etwas Interessanteres mitgeteilt.
    Offenbar ist ein Mario Delvecchio, geboren am 23. September 1951, vor dreiundzwanzig Jahren in Turin an Lymphdrüsen-krebs gestorben.« Er sah von seinen Unterlagen auf und fixierte Gabriel mit durchdringendem Blick. »Für wie groß halten Sie die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Männer den exakt gleichen Namen und dasselbe Geburtsdatum haben?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Ich halte das für äußerst unwahrscheinlich. Ich glaube, daß es nur einen Mario Delvecchio gegeben hat, dessen Identität Sie sich angeeignet haben, um einen italienischen Paß zu bekommen. Ich glaube nicht, daß Sie Mario Delvecchio heißen.
    Ich bin mir meiner Sache sogar ziemlich sicher. Ich glaube, daß Sie in Wirklichkeit Gabriel Allon heißen und für den israelischen Geheimdienst arbeiten.«
    Peterson lächelte erstmals, aber das war kein angenehmes Lächeln, sondern eine schmallippige Grimasse.
    »Vor fünfundzwanzig Jahren haben Sie den in Zürich lebenden palästinensischen Bühnenautor Ali Abdel Hamidi ermordet. Eine Stunde nach der Tat waren sie bereits außer Landes und vermutlich am nächsten Morgen schon in Tel Aviv.
    Aber diesmal sitzen Sie hier fest, fürchte ich.«

4 - ZÜRICH
    Irgendwann nach Mitternacht wurde Gabriel aus dem Vernehmungsraum in eine Arrestzelle in einem Seitenflügel des Gebäudes verlegt. Sie war klein und in Anstaltsgrau gehalten; die gesamte Einrichtung bestand aus einer nackten Matratze auf einem eisernen Bettgestell und einem rostfleckigen Klosett, das unaufhörlich lief. An der Decke summte eine einzelne Glühbirne in einem Drahtkäfig. Das Tablett mit seinem unberührten Abendessen - fette Schweinswürstchen, zerkochtes Gemüse, Rösti mit Zwiebeln - stand neben der Tür auf dem Boden, als warte es darauf, vom Zimmerservice abgeholt zu werden.
    Vermutlich entsprachen die Schweinswürstchen Petersons Vorstellung von einem gelungenen Scherz.
    Er versuchte, sich die Ereignisse vorzustellen, von denen er wußte, daß sie sich außerhalb dieser Mauern abspielten.
    Peterson hatte seinen Vorgesetzten informiert, sein Vorgesetzter hatte sich ans Außenministerium gewandt. Unterdessen war die Nachricht von seiner Verhaftung vermutlich auch in Tel Aviv bekannt. Der Premierminister würde fuchsteufelswild sein. Er hatte schon genügend andere Probleme: die West Bank in Flammen, der Friedensprozeß am Boden zerstört, seine brüchige Koalition am Rand des Zerfalls. Was er am allerwenigsten brauchen konnte, war ein kidon, selbst ein ehemaliger kidon, der in der Schweiz hinter Gittern saß - ein weiterer israelischer Geheimdienstskandal, der nur darauf wartete, in aller Welt Schlagzeilen zu machen.
    Und deshalb würden in dem anonymen Verwaltungsgebäude am King Saul Boulevard in Tel Aviv heute nacht viele dringende Konferenzen stattfinden. Und Schamron? War Schamron in seiner Festung an einem See in Tiberias verständigt worden? War er heutzutage drin oder draußen? Bei Schamron ließ sich das immer schwer beurteilen. Er war schon drei-oder viermal aus seinem unsicheren Ruhestand geholt und nach Tel Aviv zurückgerufen worden, um diese oder jene Krise zu bewältigen, oder man hatte ihn für irgendein zweifelhaftes Beratergremium angefordert, beziehungsweise gewünscht, daß er seine Erfahrung einem angeblich unabhängigen Untersuchungsausschuß zur Verfügung stellte. Erst vor

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