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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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war zuversichtlich, mehr über raffinierte Vernehmungsmethoden zu wissen als die Züricher Polizei.
    Er war dreimal von verschiedenen Polizeibeamten vernommen worden: einmal kurz auf dem Bahnhof, bevor ihm seine Festnahme eröffnet worden war, und zweimal in diesem Raum. Nach Kleidung und Alter zu urteilen, wurde die Dienststellung der ihn verhörenden Beamten zunehmend höher.
    Die Tür öffnete sich, und ein einzelner Beamter betrat den Vernehmungsraum. Er trug ein Tweedsakko ohne Krawatte und stellte sich als Kommissar Baer vor. Er setzte sich Gabriel gegenüber, legte eine Akte auf den Tisch und starrte sie an, als habe er ein Schachbrett vor sich und grüble über seinen nächsten Zug nach.
    »Sagen Sie mir Ihren Namen«, stieß er auf englisch hervor.
    »Der hat sich nicht geändert, seit ich letztes Mal danach gefragt worden bin.«

    »Sagen Sie mir Ihren Namen.«
    »Mein Name ist Mario Delvecchio.«
    »Wo wohnen Sie?«
    »Port Narvas, Cornwall.«
    »England?«
    »Ja.«
    »Sie sind Italiener, aber Sie leben in England?«
    »Das ist meines Wissens nicht strafbar.«
    »Das habe ich nicht behauptet, aber es ist interessant. Was machen Sie in Port Narvas, England?«
    »Das habe ich den drei ersten Beamten, die mich vernommen haben, bereits gesagt.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich bin Restaurator. Ich restauriere Gemälde.«
    »Was führt Sie nach Zürich?«
    »Ich bin engagiert worden, ein Gemälde zu reinigen.«
    »In der Villa am Zürichberg?«
    »Ja.«
    »Wer hat Sie dafür engagiert, dieses Gemälde zu reinigen?
    Reinigen? Ist das der Ausdruck, den Sie benützt haben? Ein merkwürdiges Wort: reinigen. Man denkt dabei an Gebäude-oder Polsterreinigung, an eine Kleiderreinigung. Aber nicht an Gemälde. Ist das ein in Ihrer Branche üblicher Fachausdruck?«
    »Ja«, sagte Gabriel. Der Kommissar schien enttäuscht zu sein, äußerte sich aber nicht weiter dazu.
    »Wer hat Sie engagiert?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Damit meine ich, daß ich den Namen des Auftraggebers nie erfahren habe. Die Einzelheiten haben ein Anwalt in Zürich und

    ein Kunsthändler in London vereinbart.«
    »Ah, richtig - Julius Isherwood.«
    »Julian.«
    Mit bürokratischer Ehrfurcht vor Ermittlungsakten strich der Kriminalbeamte demonstrativ den falschen Vornamen durch und trug sorgfältig den richtigen ein. Als er damit fertig war, sah er triumphierend auf, als erwarte er Beifall. »Bitte weiter.«
    »Ich sollte einfach nur zu der Villa hinausfahren. Dort würde ich erwartet und eingelassen werden.«
    »Von wem erwartet?«
    »Das habe ich nie erfahren.«
    Isherwoods Fax war in der Akte abgeheftet. Der Kriminalbeamte setzte eine Halbbrille auf und studierte das Fax.
    Beim Lesen bewegten sich seine Lippen mit. »Wann sind Sie in Zürich angekommen?«
    »Sie haben meine entwertete Fahrkarte. Also wissen Sie, daß ich heute morgen angekommen bin.«
    Das unwillige Stirnrunzeln des Kommissars zeigte, daß er es nicht mochte, wenn Verdächtige ihm sagten, was er wußte und was nicht.
    »Was haben Sie nach Ihrer Ankunft getan?«
    »Ich bin sofort zu der Villa hinausgefa hren.«
    »Sie haben nicht erst Ihr Hotel aufgesucht?«
    »Nein, ich wußte noch nicht, in welchem Hotel ich wohnen würde.«
    »In welchem Hotel wollten Sie absteigen?«
    »Wie Sie aus dem Brief, der für mich in der Villa gelegen hat, ersehen können, war für mich ein Zimmer im Grandhotel Dolder reserviert.«
    Baer ignorierte seinen Fauxpas und fragte weiter.
    »Wie sind Sie vom Hauptbahnhof zu der Villa gekommen?«

    »Mit einem Taxi.«
    »Wie hoch war der Fahrpreis?«
    »Mit Trinkgeld zwanzig Franken.«
    »Wann sind Sie vor der Villa angekommen?«
    »Drei Minuten nach neun.«
    »Wie können Sie das so genau wissen?«
    »Lesen Sie in Julian Isherwoods Fax nach. Ich sollte um Punkt neun in der Villa eintreffen. Ich mache es mir nicht zur Gewohnheit, verspätet zu Terminen zu kommen, Kommissar Baer.«
    Der Kriminalbeamte lächelte anerkennend. Er war ein sehr korrekter Mann und respektierte Pünktlichkeit und Gewissen-haftigkeit bei anderen, selbst wenn er sie wegen Mordes verdächtigte.
    »Und nachdem Sie dort angekommen waren?«
    »Ich habe geklingelt, aber die Sprechanlage blieb stumm.
    Also habe ich Mr. Isherwood in London angerufen. Er hat mir mitgeteilt, der Mann, der mich hätte einlassen sollen, habe unerwartet verreisen müssen.«
    »Hat er das so gesagt? Er habe ›unerwartet verreisen müssen‹?«
    »Irgendwas in dieser Art.«
    »Und dieser Mr.

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