Der Engländer
rasen.« Auch Gabriel war zum Du übergegangen.
Sie nahm etwas Gas weg.
»Wo hast du gelernt, so zu fahren?«
»Ich stamme aus einer reichen Familie. Wenn ich nicht Violine geübt habe, bin ich mit einem der Wagen meines Vaters um den Zürichsee gerast. Mit einundzwanzig hatte ich schon drei Totalschäden gebaut.«
»Gratuliere.«
»Sarkasmus steht dir nicht, Gabriel. Meine Zigaretten liegen im Fach der Mittelkonsole. Tu mir einen Gefallen und zünd mir eine an.«
Gabriel klappte den Deckel auf und nahm ein Päckchen Gitanes heraus. Er benützte den elektrischen Zigaretten-anzünder. Der Rauch geriet ihm in den falschen Hals, und er mußte würgend husten.
Anna lachte ihn aus. »Komisch, ein Israeli, der Nichtraucher ist.«
»Was zum Teufel machst du hier?«
»Ist das alles, was du zu sagen hast? Wäre ich nicht aufgekreuzt, wärst du verhaftet worden.«
»Nein, wärst du nicht aufgekreuzt, wäre ich tot. Aber ich will trotzdem wissen, was zum Teufel du hier machst. Hat Rami dir erlaubt, die Villa allein zu verlassen?«
»Ich vermute, daß er inzwischen weiß, daß ich nicht mehr da bin.«
»Wie bist du ihm entwischt?«
»Ich bin wie jeden Tag zum Üben nach oben gegangen. Dann habe ich ein Tonband mit einem besonders langen Stück laufen lassen. Den Rest kannst du dir wahrscheinlich denken.«
»Du hast das Tonband laufen lassen, damit Rami und seine Jungs dachten, du würdest fleißig üben. Tatsächlich hast du dich aus der Villa geschlichen. Wie bist du vom Grundstück weggekommen?«
»Carlos hat Rami gesagt, er fahre zum Einkaufen ins Dorf hinunter. Ich habe im Kofferraum gelegen.«
»Bestimmt sind jetzt mehrere Dutzend Angehörige meines Dienstes mit einer verzweifelten und sinnlosen Suche nach dir beschäftigt. Das war ein sehr dummer Streich, Anna. Wie bist du nach Zürich gekommen?«
»Ich bin natürlich herge flogen.«
»Direkt aus Lissabon?«
»Ja.«
»Wie lange bist du schon hier?«
»Seit ungefähr zwei Stunden.«
»Bist du im Haus deines Vaters gewesen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Als ich angekommen bin, habe ich draußen zwei Männer in einem geparkten Wagen sitzen sehen.
Ich dachte zuerst, sie seien von irgendeinem privaten Sicherheitsdienst. Dann ist mir klargeworden, daß da etwas nicht stimmte.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Mir ist's gefährlich vorgekommen, im Wagen zu sitzen und zu warten, deshalb bin ich in der Gegend herumgefahren und habe gehofft, dich abfangen zu können, bevor du versuchst, ins Haus zu gelangen. Ich habe dich natürlich verfehlt. Dann habe ich gehört, wie die Alarmanlagen losgegangen sind.«
»Hast du irgend jemand erzählt, wohin du wolltest?«
»Nein.«
»Weißt du das bestimmt?«
»Natürlich weiß ich das bestimmt. Warum?«
»Weil das vieles erklärt. Es bedeutet, daß die Villa unter ständiger Überwachung steht. Es bedeutet, daß sie wissen, daß wir noch mal hier waren. Es bedeutet, daß sie mir nach Rom gefolgt sind. Sie haben mich die ganze Zeit über beschattet.«
»Was ist im Haus meines Vaters passiert?«
Als Gabriel mit seinem Bericht fertig war, fragte Anna ihn:
»Hast du wenigstens die Provenienzen gefunden?«
»Sie waren weg.«
»Ausgeschlossen!«
»Jemand muß mir zuvorgekommen sein.«
»Hast du sonst irgendwas gefunden?«
Ich habe ein Photo gefunden, auf dem dein Vater mit Adolf Hitler und Heinrich Himmler die Aussicht vom Berghof auf dem Obersalzberg bewundert.
»Nein«, sagte Gabriel. »Ich habe nichts Brauchbares entdeckt.«
»Weißt du das bestimmt? Du hast nicht die Gelegenheit genützt, in den Privatpapieren meines Vaters zu schnüffeln?«
Gabriel ignorierte sie. »Hat dein Vater geraucht?«
»Welche Rolle spielt das jetzt?«
»Bitte beantworte einfach meine Frage. Hat dein Vater geraucht?«
»Ja, mein Vater hat geraucht!«
»Welche Zigarettenmarke?«
»Benson & Hedges.«
»Hat er jemals Silk Cuts geraucht?«
»Er hatte sehr feste Gewohnheiten.«
»Oder sonst jemand in seinem Haushalt?«
»Nicht, daß ich wüßte. Wie kommst du darauf?«
»Weil jemand vor kurzem im Arbeitszimmer deines Vaters mehrere Silk Cuts geraucht hat.«
Sie kamen an den See. Anna hielt am Straßenrand. »Wohin fahren wir?«
»Du fährst zum Flughafen und fliegst nach Portugal zurück.«
»Nein, das tue ich nicht. Wir stehen diese Sache gemeinsam durch oder gar nicht.« Sie legte den ersten Gang ein. »Also, wohin fahren wir?«
26 - LYON
Manche Männer wären vielleicht davor zurückgeschreckt, in ihrer Wohnung
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