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Der entgrenzte Mensch

Titel: Der entgrenzte Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Funk
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Abgerundet wird unser Angebot mit B-Service: mit Geldausgabeautomat und Kontoauszugsdrucker, die rund um die Uhr in Ihrer Filiale für Sie im Einsatz sind. In der Informations-Broschüre erfahren Sie mehr über B-Privat. (…) Ihr Vermögens-Manager C. freut sich über Ihre Antwortkarte. Sie werden sehen, mit B-Privat arbeitet Ihr Vermögen noch besser für Sie.

    Mit freundlichen Grüßen: Virtus Mustermann

    PS: Schicken Sie die Karte zurück und gewinnen Sie einen B-Privat-Sessel.
    Suggeriert schon der Brief eine ganzheitliche Betreuung auf hohem Niveau, bei der ich als Kunde ganz im Mittelpunkt stehe, es um meine Ziele für die Zukunft gehe, mir Glauben gemacht wird, dass bei einer Privatbank mein Vermögen noch besser für mich arbeite und auch ansonsten alles privat, diskret und vertraulich zugehe und für mich die Verbindung zu dieser Bank nur ein Gewinn sei, so behauptete die Broschüre gar, dass bei der B-Bank
»der Mensch das Maß aller Dinge« und mein Vermögen »so persönlich wie« mein »Fingerabdruck« sei. Grenzwertig war (nicht nur für mich als Schüler Erich Fromms) die Aussage, dass bei der B-Bank mein »Sein« mein »Haben« bestimme. Jede Bank muss als Bank am Haben interessiert sein, vor allem am gut abgesicherten Schulden-Haben ihrer Kunden. Dass das Vorstandsmitglied der Bank seine Unterschrift in blauer Tinte drucken ließ sollte seine persönliche Beziehung zu mir unterstreichen, obwohl wir uns nie gesehen hatten, der vielgepriesene Vermögens-Manager C. mich gar nicht mehr »betreute« und mein Vermögen schon deshalb nicht so persönlich wie mein Fingerabdruck sein konnte, weil ich bei dieser Bank gar kein Vermögen, sondern Schulden durch den Kauf einer Immobilie hatte.
    Das schon etwas angestaubte Beispiel zeigt, dass die Realität des Kunden und der faktischen Beziehung zu ihm völlig uninteressant ist; stattdessen wird eine virtuelle Persönlichkeit von ihm, der Bank und der Geschäftsbeziehung konstruiert, die eine mit Claims und Wunschvorstellungen hergestellte virtuelle Welt als Realität suggeriert. Was die Bank mit der Konstruktion einer solchen schönen neuen Welt zu erreichen versucht, ist klar: Mit ihr soll der Kunde an die Privatbank gebunden werden - wie denn auch die Broschüre verspricht: »Was immer Sie vorhaben, der Erfolg beginnt mit einem Gespräch bei uns.« Die Virtualisierung dient dazu, Bindung zu schaffen, was im Falle einer Bank nur allzu oft zu schmerzlichen Abhängigkeiten führen kann.
    Das Beispiel ist beliebig; alle Bezüge, in denen Menschen stehen, werden heute dadurch virtualisiert, dass den daran Beteiligten ein virtuelles Persönlichkeitsprofil oder Leitbild suggeriert wird. Eben weil wir uns selbst im »öffentlichen Leben« (von der Einkaufswelt, über die Dienstleistungsbetriebe, Kulturfabriken, politischen und sozialen Institutionen bis zu den Medien) nicht mehr als der und die, die wir sind, begegnen und widergespiegelt finden, sondern als virtuelle Realitäten, wächst die Plausibilität konstruierter Persönlichkeiten, werden diese zur Normalität, und identifizieren sich immer mehr Menschen mit den ihnen suggerierten Persönlichkeitsaspekten.

    Nicht nur die Banker, um das Beispiel noch einmal aufzugreifen, sind von den »Wir-sind-für-Sie-da«- und anderen Claims ihrer Unternehmensphilosophie zuinnerst überzeugt und behandeln ihre Kunden zuvorkommend, auch die Kunden finden, dass sie bei dieser Bank wirklich ernst genommen werden und ganz individuell und persönlich betreut werden. Die virtuelle Realität wird als »hyperrealer« erlebt als jede nicht-entgrenzte Realität. Am Ende werden das Selbsterleben und das Zusammenleben von virtuellen Persönlichkeiten dominiert, wie dies in zahlreichen neueren Filmen eindrücklich vor Augen gebracht wird.

DOPING DURCH AUSBLENDEN
    Die virtuelle Persönlichkeit ist eine gesellschaftliche Realität mit dem Anspruch, etwas ganz Normales zu sein und deshalb auch das gesellschaftliche Zusammenleben regeln zu können. In psychologischer Perspektive ist es dennoch so, dass es den Menschen nicht gibt, der keine Schwächen hat, der nie von Zweifeln und Schuldgefühlen geplagt wird, der immer nur »happy« ist, lächelt, überhaupt keine Angst vor der Zukunft hat und bar jeder feindseligen Gefühle gegen andere ist, dem die Arbeit nie stinkt und der alle Partnerbeziehung nur befriedigend erlebt. Psychologisch gesehen, gibt es diesen anderen, realen Menschen deshalb noch immer, auch wenn er von gut entgrenzten

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