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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Zaunkönige. Rotkehlchen und Schilfrohrsänger standen mit ihrem Verhalten in der Mitte. Das andere Extrem waren die Rohrammern, die sich zwar als Wirte für den Kuckuck eignen, aber nur selten von ihm heimgesucht werden: Sie verstießen alle fremden Eier – kein Wunder, dass die Kuckucke nicht als Parasiten zu ihnen kommen. Davies und Brooke würden das wahrscheinlich so interpretieren, dass die Rohrammern am Ende eines langen Rüstungswettlaufes mit den Kuckucken stehen, den sie letztlich gewonnen haben. Die Heckenbraunellen dagegen befinden sich noch ganz am Anfang der Entwicklung, und die Rotkehlchen sind dabei schon ein wenig weiter vorangekommen. Wiesenpieper, Teichrohrsänger und Bachstelzen befinden sich ungefähr in der Mitte ihres Weges.
    Wenn wir sagen, der Rüstungswettlauf zwischen Heckenbraunelle (englisch dunnock ) und Kuckuck habe gerade erst begonnen, müssen wir das «gerade erst» vor dem Hintergrund entwicklungsgeschichtlicher Zeiträume deuten. Nach menschlichen Maßstäben ist die Beziehung unter Umständen schon recht alt. Im 14. Jahrhundert schrieb Chaucer in The Parliament of Fowls (Das Parlament der Vögel) über das Verhalten des Kuckucks gegenüber der Braunelle:
     
Thou mortherere of the heysoge on the braunche
That broughte the forth, thow rewthelees glotoun!
     
    Zu deutsch sinngemäß:
     
Meuchler, du, der Braunelle im Gezweige,
die dich hervorgebracht, elender Nimmersatt.
     
    Nach einer Quelle von 1616, die das Oxford English Dictionary zitiert, ist die Heisugge (ein altes englisches Wort für die Heckenbraunelle) ein «Vogel, welcher die Eier des Kuckucks ausbrütet». Davies weist auf folgende Zeilen aus König Lear (I, iv) hin, die Shakespeare zehn Jahre früher schrieb:
     
Foe, you trow, nuncle,
The hedge-sparrows fed the cuckoo so long,
That it’s had it head bit off by it young.
     
    In der gängigsten deutschen Shakespeare-Übersetzung von Schlegel und Tieck heißt es:
     
Denn du weißt, Gevatter,
Grasmücke so lange den Kuckuck speist,
Bis sein Junges ihr endlich den Kopf abreißt.
     
    Die englischen Wörter dunnock, hedge sparrow und heysoge bedeuten zwar laut Wörterbuch das Gleiche, aber ich muss mich fragen, inwieweit wir uns auf die mittelalterliche Vogelkunde verlassen können. Chaucer selbst wählte seine Worte in der Regel sehr genau, aber der Begriff sparrow (Sperling) wurde vielfach auch einfach für einen «kleinen braunen Vogel» verwendet.  1 Diese Bedeutung dürfte er auch in der folgenden Stelle aus Heinrich IV ., Erster Teil, (V, i) haben:
     
Und tatet, da wir euch gepflegt, an uns
Wie die unedle Brut, des Kuckucks Junges,
Dem Sperling tut; bedrücktet unser Nest,
Wuchst so gewaltig an durch unsre Pflege,
Daß unsre Lieb’ euch nimmer durfte nahen
Aus Furcht, erwürgt zu werden.
     
    Heute ist sparrow der Haussperling Passer domesticus , den der Kuckuck nie heimsucht. Mit ihm ist die Heckenbraunelle Prunella modularis nicht näher verwandt, obwohl es für sie im Englischen neben der Bezeichnung dunnock auch den Namen hedge sparrow gibt. Ein «sparrow» (Sperling) ist sie nur in dem weit gefassten Sinn, dass sie ein kleiner brauner Vogel ist. Aber selbst wenn wir Chaucers Text als Indiz dafür betrachten, dass der Rüstungswettlauf zwischen Kuckuck und Heckenbraunelle mindestens bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht, ist das nicht mehr als ein grober Anhaltspunkt. Davies und Brooke zitieren theoretische Berechnungen, die berücksichtigen, dass der Kuckuck ein relativ seltener Vogel ist, und die zu dem Schluss gelangen, der Zeitraum sei unter Evolutionsgesichtspunkten noch fast zu kurz, um die Unerfahrenheit der Braunellen im Umgang mit Kuckucken zu erklären.
    Bevor wir die Kuckucke verlassen, noch ein letzter interessanter Gedanke. Es könnte mehrere Wirtsrassen von Rotkehlchen-Kuckucken geben, deren rotkehlchenähnliche Eier sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Da die Gene auf dem Y-Chromosom zwischen ihnen nicht ausgetauscht werden, könnte es nebeneinander solche mit mehr oder weniger rotkehlchenähnlichen Eiern geben. Weibchen der verschiedenen Rotkehlchen-Wirtsrassen können sich mit denselben Männchen paaren, aber ihre Y-Chromosomen haben sie nicht gemeinsam. Die Kuckucke mit den sehr rotkehlchenähnlichen Eiern stammen demnach von einem Weibchen ab, das schon vor sehr langer Zeit die Rotkehlchen als Parasit heimsuchte. Die weniger guten Nachahmer dagegen sind aus einem Weibchen hervorgegangen, das sich erst später den Rotkehlchen

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