Der entzauberte Regenbogen
Frage ein wenig: Bestand auch nur eine Chance von eins zu einer Million, dass er sie zufällig genommen habe? «Hm, nun, das glaube ich schon», erwiderte ich. Der Untersuchungsrichter (und die Angehörigen des Mannes) waren erleichtert, das Verfahren wurde eingestellt, die Familie war um 750 000 Pfund reicher, und ein Versicherungsunternehmen war um die gleiche Summe ärmer, zumindest, bis es mir die Prämie erhöhte.
Die großen Möglichkeiten der DNA-Fingerabdrücke sind ein Teil der allgemeinen Macht der Wissenschaft, vor der manche Menschen Angst haben. Es ist wichtig, dass man solche Befürchtungen nicht durch übertriebene Behauptungen oder vorschnelles Handeln verstärkt. Am Ende dieses recht fachspezifischen Kapitels möchte ich auf die Gesellschaft zurückkommen und eine wichtige, schwierige Entscheidung erörtern, die wir gemeinsam treffen müssen. Normalerweise gehe ich aktuellen Diskussionen aus dem Weg, weil ich Angst habe, dass sie bald überholt sein werden, und wenn es sich um lokale Probleme handelt, fürchte ich, für engstirnig gehalten zu werden. Aber die Frage, ob man eine nationale DNA-Datenbank einrichten soll, beschäftigt heute die meisten Staaten in dieser oder jener Form, und sie wird in Zukunft noch dringlicher werden.
Theoretisch wäre es möglich, DNA-Sequenzen von jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind in einer Datenbank zu speichern. Findet man dann am Tatort eines Verbrechens Blut, Sperma, Speichel, Haut oder Haare, könnte die Polizei eine solche Probe zunächst mit der DNA eines Verdächtigen vergleichen, bevor sie ihn mit anderen Mitteln zu überführen versucht. Dazu wäre nur eine Computerabfrage bei der nationalen Datenbank erforderlich. Schon der Vorschlag provoziert Protestgeheul: Es sei eine Verletzung der persönlichen Freiheit, der Anfang vom Ende, ein Riesenschritt in Richtung Polizeistaat. Mir war immer ein wenig schleierhaft, warum die Menschen ganz automatisch so heftig auf derartige Vorschläge reagieren. Wenn ich mich sachlich mit dem Thema befasse, bin ich nach sorgfältiger Abwägung dagegen. Aber es ist nichts, was man von vornherein verurteilen sollte, ohne das Pro und Contra überhaupt genau zu betrachten. Also tun wir es.
Wenn sichergestellt ist, dass die Informationen ausschließlich zur Ergreifung von Verbrechern verwendet werden, ist schwer einzusehen, warum ein unbescholtener Bürger etwas dagegen haben sollte. Mir ist bewusst, dass viele engagierte Bürgerrechtler prinzipielle Einwände erheben. Aber eigentlich verstehe ich die Begründung nicht ganz, es sei denn, wir wollten das Recht der Verbrecher schützen, Verbrechen zu begehen und nicht gefasst zu werden. Ebenso kann ich keinen stichhaltigen Grund erkennen, der gegen eine nationale Sammlung herkömmlicher, mit Stempelkissen gewonnener Fingerabdrücke spricht (abgesehen von der praktischen Schwierigkeit, dass man herkömmliche Fingerabdrücke im Gegensatz zu DNA-Mustern nur schwer automatisch mit dem Computer analysieren kann). Kriminalität ist ein ernstes Problem, und sie vermindert die Lebensqualität aller mit Ausnahme der Kriminellen (und vielleicht sogar die, denn vermutlich hält nichts einen Einbrecher davon ab, im Haus eines Einbrechers einzubrechen). Wenn eine nationale DNA-Datenbank nennenswert dazu beiträgt, der Polizei die Ergreifung von Verbrechern zu erleichtern, müssen die Einwände schon sehr stichhaltig sein, damit sie gegenüber dem Nutzen überwiegen.
Hier muss ich aber sofort eine wichtige Warnung anbringen. Indizien, die sich auf DNA oder eine andere Reihenuntersuchung vieler Personen stützen, zur Bestätigung eines ohnehin bestehenden Verdachtes zu benutzen, ist das eine; mit ihrer Hilfe einen X-Beliebigen zu verhaften, der eine Übereinstimmung mit der Probe aufweist, ganz etwas anderes. Wenn eine bestimmte geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich beispielsweise eine Spermaprobe und das Blut eines Unschuldigen zufällig ähneln, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieselbe Person außerdem fälschlich aus davon unabhängigen Gründen verdächtigt wird, natürlich viel kleiner. Die Methode, einfach die Datenbank abzufragen und denjenigen festzunehmen, der zu der Probe passt, führt also deutlich häufiger zu Ungerechtigkeiten als ein System, in dem zunächst aus anderen Gründen ein Verdacht bestehen muss. Angenommen, Material von einem Tatort in Edinburgh stimmt zufällig mit meiner DNA überein: Soll die Polizei dann das Recht haben, in Oxford an meine Tür zu
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