Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
hämmern und mich ohne weitere Verdachtsmomente festzunehmen? Ich glaube nicht, aber man sollte dazu anmerken, dass die Polizei Entsprechendes bereits mit anderen Merkmalen tut. Zum Beispiel wenn in den Zeitungen ein Phantombild oder ein von Zeugen aufgenommenes Foto erscheint und die Menschen im ganzen Land sich an die nächste Polizeidienststelle wenden sollen, wenn sie das Gesicht «erkennen». Auch hier müssen wir uns unserer natürlichen Neigung bewusst sein, der Erkennung eines Gesichtes mehr zu trauen als allen anderen Arten der Identifizierung.
    Lässt man die Verbrechensbekämpfung einmal beiseite, besteht eine echte Gefahr, dass die Informationen in einer nationalen DNA-Datenbank in die falschen Hände fallen. Damit meine ich die Hände derer, die mit ihrer Hilfe nicht Verbrecher fangen, sondern sie zu anderen Zwecken verwenden wollen, beispielsweise im Zusammenhang mit Krankenversicherung oder Erpressung. Es gibt ernst zu nehmende Gründe, warum auch Menschen, die keinerlei kriminelle Absichten haben, ihr DNA-Profil nicht bekannt geben wollen, und mir scheint, man sollte die Intimsphäre in dieser Hinsicht respektieren. So glauben beispielsweise nicht wenige Männer, sie seien der Vater eines bestimmten Kindes, und in Wirklichkeit sind sie es nicht. Ebenso hält eine beträchtliche Zahl von Kindern jemanden für ihren wirklichen Vater, obwohl er es nicht ist. Wer Zugang zu einer nationalen DNA-Datenbank hat, kann die Wahrheit herausfinden, und die Folgen sind gewaltige emotionale Belastungen, zerbrochene Ehen, Nervenzusammenbrüche, Erpressung und Schlimmeres. Mancher meint vielleicht, die Wahrheit solle in jedem Fall ans Licht kommen, so schmerzlich sie auch sei; nach meiner Überzeugung gibt es aber gute Gründe für die Annahme, dass das Glück der Menschen sich insgesamt durch eine plötzliche Welle der Enthüllungen über die wahre Vaterschaft aller nicht verbessern würde.
    Dann gibt es die Fragen im Zusammenhang mit Medizin und Versicherungen. Die Tatsache, dass man nicht genau voraussagen kann, wann jemand sterben wird, ist das Fundament der gesamten Lebensversicherungsbranche. Sir Arthur Eddington sagte einmal: «Das Leben der Menschen ist von sprichwörtlicher Unsicherheit; kaum etwas ist so sicher wie die Zahlungsfähigkeit eines Lebensversicherungsunternehmens.» Wir alle bezahlen unsere Prämien. Wer später als erwartet stirbt, subventioniert diejenigen (das heißt die Erben derjenigen), die unerwartet früh sterben. Schon heute stellen die Versicherungsunternehmen statistische Berechnungen an, die das System teilweise aus den Angeln heben, weil man von Risikokunden höhere Prämien verlangen kann. Sie schicken einen Arzt, der unser Herz abhört, unseren Blutdruck misst und sich nach unseren Rauch- und Trinkgewohnheiten erkundigt. Wüssten die Versicherungsmathematiker genau, wann jeder von uns sterben wird, wären Lebensversicherungen nicht mehr möglich. Hätten solche Fachleute Zugriff auf eine nationale DNA-Datenbank, wären wir dieser unglückseligen Konsequenz einen Schritt näher. Im Extremfall könnte das bedeuten, dass man sich nur noch gegen eine Todesursache versichern kann: gegen einen reinen Unfall.
    Auch diejenigen, die Stellen- oder Studienplatzbewerber testen, könnten die Ergebnisse von DNA-Analysen auf eine Weise nutzen, die vielen von uns nicht wünschenswert erscheint. Manche Arbeitgeber bedienen sich bereits zweifelhafter Methoden wie der Graphologie (die Deutung der Handschrift, die angeblich Hinweise auf Charakter oder Eignung liefern soll). Anders als bei der Graphologie besteht aber bei DNA-gestützten Indizien durchaus Grund zu der Annahme, dass sie tatsächlich zur Beurteilung von Fähigkeiten nützlich sein können. Dennoch wäre ich wie viele andere beunruhigt, wenn sich die Auswahlgremien der Informationen in der DNA bedienen würden, zumindest wenn sie es heimlich täten.
    Eines der häufigsten Argumente gegen derartige landesweite Datenbanken lautet in etwa: «Was wäre, wenn sie in die Hände eines Hitler fiele?» Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, welchen Nutzen eine böswillige Regierung aus wahren Informationen über die Bevölkerung ziehen könnte. Man könnte meinen, solche Leute seien so erpicht darauf, falsche Informationen zu verwenden, dass sie sich gar nicht die Mühe machen müssten, wahre Informationen zu missbrauchen. Aber was Hitler angeht, muss man daran denken, dass er die Juden und andere Gruppen verfolgte. Zwar stimmt es nicht, dass

Weitere Kostenlose Bücher