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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wieder zurück, nahm zum drittenmal Anlauf, und diesmal gab das Schloß knirschend nach, und ich stolperte durch die aufgebrochene Tür in den Raum.
    Was ich sah, übertraf meine schlimmsten Erwartungen. Mein Großvater war nicht da. Die Lampe brannte nicht, trotzdem war es nicht dunkel ein unheimlicher, flackernder grüner Schein hing im Zimmer, und an meine Ohren drang ein hohles Rauschen und Brausen, wie von Wind, der durch einen engen Kamin heult. Und als ich mich herumdrehte, konnte ich einen Entsetzensschrei nicht mehr unterdrücken.
    Die Uhr hatte sich wieder geöffnet, dahinter waberte und wogte dasselbe schauerliche grüne Licht wie in der vergangenen Nacht. Und in dem grünen Leuchten erkannte ich deutlich die Wände eines mannshohen, zuckenden Schachtes aus … aus irgend etwas Lebendigem. Ein bestialischer Gestank wehte mir entgegen, und am Ende dieses lebenden Tunnels, der sich ununterbrochen wand, schien etwas Dunkles, jedoch Formloses zu lauern, das mich aus schwarzen, bösen Augen anstarrte.
    Und dann tat ich etwas, das ich in diesem Moment wohl selbst nicht so richtig begriff (und das war auch gut so, denn sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht getan) ich sprang mit einem Schrei vor und stürzte direkt in die offenstehende Tür der Monsteruhr hinein!
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte: Hitze, Schmerzen, namenlose Schrecken, tentakelschwingende Ungeheuer aber nichts von alledem geschah. Ich stolperte einfach wieder aus der Uhr heraus, so blitzschnell, als hätte mich eine unsichtbare Hand gepackt und um meine eigene Achse gedreht, und starrte verblüfft in das Arbeitszimmer, dem ich soeben noch den Rücken zugewandt hatte.
    Ungläubig drehte ich mich herum: Tatsächlich, hinter mir stand die Uhr, und aus ihrer offenstehenden Tür loderte noch immer das unheimliche, kalte grüne Feuer. Ich kam mir vor wie ein Mann, der zum erstenmal in seinem Leben durch eine Drehtür gegangen ist und nun nicht versteht, wieso er wieder am Ausgangspunkt seines Weges angekommen ist.
    Verwirrt streckte ich die Hand nach der Uhr aus, machte einen halben Schritt, um es noch einmal zu versuchen, und tat es dann doch nicht.
    Irgend etwas stimmte nicht. Aber es vergingen endlose Sekunden, ehe ich bemerkte, was es war.
    Das Zimmer hatte sich verändert. Gewiß, das Mobiliar war das gleiche geblieben, der Schreibtisch war unaufgeräumt und unordentlich wie immer, und doch …
    Es waren Winzigkeiten, die mir erst nach und nach auffielen: Der kristallene Lüster unter der Decke war ein wenig kleiner, als er sein sollte. Die Tapeten hatten ein anderes Muster, und die Farbe der Vorhänge stimmte nicht ganz. Über dem Kamin hing ein anderes Bild. Es glich dem, das ich kannte, aber es war es eben nicht. In den Regalen standen andere Bücher, es gab einen Stuhl mehr, dafür fehlte die Stehlampe mit den Troddeln, die ich noch nie hatte leiden können … Es war, als hätte sich jemand bemüht, das Arbeitszimmer mit aller Akribie nachzubauen, aber einfach nicht die richtigen Requisiten bekommen hat.
    Und da war noch etwas. Ein heftiger Sturm heulte um das Haus, und eben noch war eine wunderschöne, klare Nacht gewesen.
    »Großvater?« rief ich.
    Keine Antwort. Nur der Regen trommelte monoton gegen die Scheiben.
    Mein Herz begann schneller zu klopfen. Mary fiel mir ein, die durch mein Geschrei aufmerksam geworden war wo war sie? Ich stand seit zwei oder drei Minuten hier, mehr als genug Zeit für sie, mir nach zu kommen. Ich beschloß, das Nahelie-gendste zu tun und zur Tür zu gehen und nachzusehen, trat aber dann aus einem Impuls heraus an den Schreibtisch heran und zog eine Schublade auf.
    Sie war vollgestopft mit allem möglichen Krimskrams der Besitzer dieses Schreibtisches schien kein sehr ordnungslie-bender Mensch zu sein, was ihn mir auf Anhieb sympathisch machte aber nichts davon kam mir in irgendeiner Weise bekannt vor. Und auch die Papiere, die auf dem Schreibtisch lagen, waren mir fremd.
    Vorsichtig nahm ich eines der Blätter und versuchte die handgeschriebenen Zeilen darauf im blassen grünen Licht der Uhr zu entziffern.
    Lieber Freund, las ich. Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll.
    Seit Jahren habe ich mich nach diesem Tag gesehnt, doch nun, da er endlich Wirklichkeit geworden ist, ist mir Priscilla Ich las nicht weiter, denn ich spürte, daß ich hier etwas sehr Persönliches in Händen hielt, etwas, das nicht für meine Augen bestimmt war. Aber eines war mir jetzt endgültig klar dies war nicht das

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