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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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als ich mich vorbeugte und durch das Fenster zu dem Gebäude hinüberblickte, vor dem wir angehalten hatten, verstand ich ihn um einiges besser als vorhin, als ich ihm die Adresse genannt und ein zweifelndes Stirnrunzeln als Antwort bekommen hatte.
    »Wenn das hier die Pension Westminster ist, dann ja«, antwortete ich zögernd. Der Fahrer nickte. Er war ein großer, vierschrötiger Kerl, der auf meine diversen Versuche, ein Gespräch in Gang zu bringen, stets nur mit einem Knurren geantwortet hatte, aber er hatte ein gutes Gesicht und offene Augen. Ich gebe viel auf Augen. Gesichter können täuschen; Augen nicht.
    »Das ist sie. Und Sie sind sicher, Sir, daß Ihr Freund hier wohnt? Es gibt nämlich auch ein Hotel Westminster.«
    Ich versuchte zu lächeln, aber es gelang mit nicht wirklich.
    Was das Hotel Westminster anging dort war ich schon gewesen, vor sechs oder sieben Stunden.
    In beiden Hotels dieses Namens, die es in London gab und auch in den vier Pensionen, die unter dem Stichwort Westminster im Branchenverzeichnis geführt wurden. Ich hatte an die fünfzig Pfund an Taxi- und mehr als die doppelte Summe an Bestechungsgeldern ausgegeben, damit mich mehr oder weniger hartnäckige Portiers und Empfangsdamen einen Blick in ihre Gästebücher werfen ließen. Nur H. P.. den geheimnis-vollen H. P. hatte ich im Westminster nicht gefunden.
    In keinem der verschiedenen Westminster.
    Nun, wenigstens hatte ich es versucht. Aber einen Mann, von dem man nichts als die Initialen H. P. kannte, in einer Millio-nenstadt wie London finden zu wollen, war ein Unterfangen, das dicht an Wahnsinn grenzte. Ich war nahe daran gewesen aufzugeben, als ich von einem der stets hilfsbereiten Londoner Bobbys erfuhr, daß es auch noch dieses … Etablissement mit dem Namen Westminster gab. Allerdings war der Name das einzige, worin es den diversen anderen Hotels und Pensionen, die ich heute schon aufgesucht hatte, glich. Die Pension lag in einer Straße, die selbst im Armenviertel von Bagdad noch als schäbig gegolten hätte. Von den zwei Dutzend Laternen, die die schmale, kopfsteingepflasterte Straße säumten, brannte nicht einmal ein Viertel. Und das, was ihr trüber Schein aus der Dunkelheit riß, war auch nicht gerade erhebend. Überall lagen Abfälle und Unrat, und die dunklen Umrisse überquellender Abfalltonnen hoben sich schwach gegen die nackten Ziegel-steinmauern der Häuser ab. Die wenigen Fenster, die ich sehen konnte, waren ausnahmslos mit Läden verschlossen oder schlicht und einfach vernagelt, und ab und zu sah man ein rasches Huschen oder hörte ein Quieken und das Trappeln winziger harter Pfoten. Ratten. Die einzigen Lebewesen, die sich in einer Gegend wie dieser nach Dunkelwerden noch auf die Straße wagten.
    Selbst hier im Wagen roch es bereits durchdringend nach Fäulnis und Abfällen, obwohl wir erst seit wenigen Augenblik-ken am Straßenrand standen. Die Gegend erinnerte mich auf beängstigende Weise an die Bilder aus meinem Traum.
    Und was die Pension betraf … erkenntlich war sie nur an einem handgemalten, lieblos befestigten Schild und einer trüben Lampe mit gesprungenem Schirm über der Tür. Auch ihre Fenster waren verschlossen, und nur durch die Ritzen eines Ladens im zweiten Stock schimmerte Licht.
    »Vielleicht warten Sie einen Moment hier«, sagte ich, während ich die Tür öffnete und ausstieg. »Wenn ich in zehn Minuten nicht zurück bin, können Sie fahren.« Ich griff in die Weste, nahm eine zusammengerollte Zehn-Pfund-Note heraus und hielt sie dem Fahrer hin, aber zu meiner Überraschung schüttelte der Mann nur den Kopf.
    »Tut mir leid, Sir«, sagte er. »Die Fahrt hierher kostet drei Pfund, und sobald Sie dort drinnen sind« er deutete auf die zerschrammte Tür der Pension »verschwinde ich von hier.
    Ich bin nämlich nicht lebensmüde, wissen Sie?«
    Ich seufzte enttäuscht, versuchte aber nicht noch einmal ihn zum Warten zu überreden, sondern reichte ihm schweigend die verlangten drei Pfund und ging rasch auf das Haus zu. Ich konnte den Mann nur zu gut verstehen. Vor ihm hatten sich drei andere Fahrer glatt geweigert, mich überhaupt hierher zu bringen.
    Ich ertappte mich dabei, nervös nach der Pistole zu greifen, die ich in der Jackentasche trug. Auf der Straße war weit und breit niemand zu sehen, trotzdem fühlte ich mich beobachtet.
    Meine Hände zitterten leicht, als ich anklopfte. Die Schläge hallten dumpf durch das Haus, und ich konnte hören, wie irgendwo in seinem Inneren eine Tür

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