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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch, und mein Unbehagen wuchs. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, hierher zu kommen. Was, wenn H. P. und Rowlf wirklich mit dem Tod meines Großvaters zu tun hatten aber anders, als ich bisher angenommen hatte? Ich blieb einen Moment unschlüssig unter der Tür stehen, sah mich um und trat schließlich zum Kamin.
    Die Flammen brannten hoch und erfüllten den Raum gleichermaßen mit Licht und behaglicher Wärme. Ich legte meinen Mantel ab, ging vor dem Kamin in die Hocke und hielt die Hände über die Flammen.
    Nach einer Weile hörte ich Schritte. Ich richtete mich auf und wandte mich um, aber zu meiner Enttäuschung erschien nicht H. P.. sondern wieder das Bulldoggengesicht in der Tür.
    »H. P. kommt gleich«, knurrte er unfreundlich. »Sie sollens sichn bißchen bequem machen, bisser da is.« Er schlurfte an mir vorüber, öffnete einen Schrank und nahm zwei Gläser und eine geschliffene Glaskaraffe hervor. Mit einer Kopfbewegung dirigierte er mich zum Tisch, schenkte eines der Gläser voll und stellte das andere umgedreht auf den Tisch.
    »Ich geh’ dann«, nuschelte er. »Er wird gleich kommn.
    Wennse was brauchn tun, dann rufnse mich.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, schlurfte er zur Tür, warf sie hinter sich ins Schloß und polterte lautstark die Treppe hinauf.
    Ich griff nach dem Glas, das er mir eingeschenkt hatte, und nippte vorsichtig daran.
    Die dunkelrote Flüssigkeit darin war Portwein, ein ganz ausgezeichneter Portwein sogar. Kein Getränk, das man in einem solchen Haus wie diesem anzutreffen erwartete.
    Ich stellte das Glas behutsam auf den Tisch zurück und stand auf, um mich gründlicher umzusehen.
    Aber ich kam nicht dazu, das Zimmer genau zu inspizieren.
    Ich war kaum an das Regal herangetreten und hatte eines der Bücher zur Hand genommen, als die Tür hinter meinem Rücken erneut geöffnet wurde.
    Mit einer fast schuldbewußten Bewegung wandte ich mich um und sah dem Neuankömmling entgegen.
    Es war H. P. Und ich sah ihn jetzt zum erstenmal deutlich: Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein vielleicht etwas jünger

    war schlank und hatte ein schmales, beinahe asketisch geschnittenes Gesicht. Über der hohen Stirn hatten sich zwei tiefe Geheimratsecken in den Haaransatz gegraben, und auf den Wangen lagen Schatten, als hätte er eine schwere Krankheit hinter sich. Sein Mund war klein und spitz, und er hatte schmale, nervöse Hände, die niemals ruhig zu sein schienen.
    Doch in dem Blick seiner dunklen, intelligenten Augen lag soviel Sanftheit, daß ich mich fast gegen meinen eigenen Willen gleich zu ihm hingezogen fühlte.
    H. P. war schließlich der erste, der das Schweigen brach. Er räusperte sich, drückte die Tür hinter sich mit einer heftigen, fast übertrieben schnellen Geste ins Schloß und kam auf mich zu. Später sollte ich noch merken, daß alles, was er tat, schnell und übertrieben heftig geschah. Jetzt verwirrte mich seine scheinbar sinnlose Hast.
    Zwei Schritte vor mir blieb er stehen und deutete mit einer knappen Geste auf den Tisch, an dem ich zuvor schon gesessen hatte. »Sie sind also gekommen«, sagte er.
    »War es nicht das, was Sie wollten?« fragte ich.
    H. P. nickte. »Doch. Aber ich hätte mir gewünscht, daß es unter … anderen Umständen geschieht.« Er seufzte und machte eine einladende Geste auf einen der Stühle. »Nehmen Sie Platz, junger Mann«, sagte er abgehackt. »Es redet sich besser im Sitzen.«
    Ich wollte aufbegehren, mich über den unfreundlichen Empfang beklagen, aber irgend etwas hielt mich davon ab. Verwirrt schwieg ich eine Weile, während H. P. geduldig wartete. »Ich weiß jetzt, wer ich wirklich bin«, erklärte ich schließlich.
    »Mac hat es Ihnen also endlich gesagt?« erkundigte sich H.
    P.. nachdem er sein Glas umgedreht und sich eingeschenkt hatte.
    »Ja. Kurz, bevor er starb.«
    H. P. nippte an seinem Portwein. Ich rührte den meinen nicht an. »Und jetzt sind Sie hier, um mich zu fragen, was ich damit zu tun habe.«
    »Ich bin hier, um «, begann ich aufgebracht, sprach aber dann nicht weiter. Plötzlich fühlte ich mich leer und ausge-brannt. Erst jetzt spürte ich, wie sehr mich die stundenlange Odyssee kreuz und quer durch London erschöpft hatte. Vielleicht war ich einfach hier, weil ich jemanden zum Reden brauchte.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte ich. »Ich weiß überhaupt nichts mehr. Großvater ist tot, und plötzlich ist alles anders geworden.
    Ich weiß nicht, was vorgeht.
    Wissen Sie es?«
    »Hat er Sie zu mir

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