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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufgestoßen wurde und schlurfende Schritte näherkamen.
    Ich drehte mich halb um und bedeutete dem Taxifahrer mit Gesten, noch einen Moment zu warten. Der Mann nickte und begann nervös auf dem Lenkrad herumzutrommeln. Auf der anderen Seite der Straße bewegten sich Schatten.
    Die Tür wurde lautstark entriegelt, öffnete sich jedoch nur wenige Zentimeter, ehe sie von einer vorgelegten Kette gesperrt wurde. Ein Paar dunkler, noch halb vom Schlaf verschleierter Augen blickte mißtrauisch zu mir heraus.
    »Wat gibt’s?« Das war Goliath, kein Zweifel. Ich atmete innerlich auf.
    Die Begrüßung war nicht gerade freundlich, aber ich schluckte die scharfe Entgegnung, die mir auf der Zunge lag, hinunter, trat höflich einen halben Schritt zurück und deutete eine Verbeugung an. »Guten Abend, Sir«, sagte ich steif. »Ich …
    suche einen Ihrer Gäste. Wenn Sie vielleicht so freundlich wären «
    »Bin ich nich«, unterbrach mich der andere. »Wissense überhaupt, wie späts is?«
    »Kurz nach Mitternacht«, antwortete ich automatisch. »Aber mein Anliegen ist wichtig.«
    Mein unfreundliches Gegenüber seufzte, verdrehte die Augen und wollte die Tür ins Schloß werfen aber ich hatte mittlerweile den Fuß im Spalt, und die straff gespannte Kette hinderte ihn auch daran, die Tür noch weiter zu öffnen, um etwa herauszukommen und handgreiflich zu werden. Der Typ dazu war er.
    »Also gut«, murmelte er schließlich. »Mit wem wol sprechen?«
    »Mit H. P.«, antwortete ich. »Einem Ihrer Gäste.
    Vielleicht wären Sie so nett -«
    »H. P.? Hier gibts kein H. P.«, behauptete Rowlf.
    Ganz offensichtlich erkannte er mich in dem schwachen Licht vor der Tür nicht. »Hier hats auch nie ein gegeben.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte ich ruhig. »Warum ersparen Sie sich und mir nicht unnötigen Ärger und holen H. P. herunter?
    Vorgestern abend waren Sie weniger zurückhaltend erinnern Sie sich?«
    In Goliaths Gesicht zuckte es. Ich konnte nicht viel von seinen Zügen erkennen, aber was ich sah, gefiel mir so wenig wie beim letztenmal. Rowlf wurde nicht gerade hübscher, wenn er unausgeschlafen war. Und wahrscheinlich verbesserte das auch seine Laune nicht besonders. Eine halbe Minute lang musterte er mich durchdringend von Kopf bis Fuß, aber schließlich gab er nach. »In Ordnung, Mista Oberschlau«, knurrte er.
    »Nemse den Fuß ausse Tür. Ich mach auf.«
    Ich sah ihn einen Moment scharf an, nickte knapp und trat wieder zurück. Die Tür krachte unnötig hart ins Schloß, ich hörte ihn mit der Kette hantieren, dann schwang die Tür erneut auf und gewährte mir einen Blick auf einen düsteren, nur von einer einzigen, halb heruntergebrannten Kerze erleuchteten Korridor.
    Rasch trat ich ein, drehte mich herum und winkte dem Taxifahrer zu. Der Mann tippte kurz an die Krempe seiner schwarzen Schlägerkappe, ließ den Wagen an und fuhr los.

    Rowlf schlurfte vor mir den Gang hinab. An seinem Ende befand sich eine zweiteilige, nur halb geschlossene Tür, durch deren Spalt warmes rotes Licht schimmerte. Mein seltsamer Führer stieß einen der Türflügel vollends auf, deutete eine einladende Geste in den darunterliegenden Raum an und drehte sich gleichzeitig um. Direkt neben der Tür führte eine Treppe in die oberen Stockwerke des Hauses hinauf.
    »Wartense hier«, sagte er unfreundlich. »Ich geh’ H. P.
    fragen.«
    Ich sah ihm kopfschüttelnd nach, wandte mich aber nach einem Moment gehorsam um und trat in den Raum, den er mir angewiesen hatte. Erneut ertappte ich meine Hand dabei, wie sie nervös über den Griff der Waffe strich, die ich unter meinem Mantel verborgen hatte. Auch wenn ich es selbst nicht zugeben wollte aber dieses heruntergekommene Haus und sein seltsamer Türwärter flößten mir Unbehagen ein, ja, beinahe schon Furcht. Es ging etwas sonderbar Düsteres von diesem alten Gemäuer aus. Und wieso war Rowlf mit einemmal so sonderbar? Wieso tat er so, als würde er mich nicht kennen? Der Raum, in dem ich mich befand, schien eine Mischung aus Bibliothek und Salon zu sein. Eine Wand wurde ganz von einem deckenhohen, bis zum Bersten gefüllten Bücherregal eingenommen, an der Wand gegenüber befand sich ein gewaltiger, marmorner Kamin, in der Mitte des Zimmers stand ein nicht minder gewaltiger Tisch, der von einem halben Dutzend kostbarer Stühle flankiert wurde. Der Raum war wesentlich eleganter und auch sauberer , als ich erwartet hatte. Und trotzdem verstärkte sich der Eindruck, den ich von diesem Gebäude hatte,

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