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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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glauben, daß es beim Tod meines Großvaters irgendwie nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, dann sagen Sie es ich bin nämlich der erste, den das interessiert.«
    »Nicht doch, Mister McFaflathe-Throllinghwort-Simpson«, sagte er hastig. »Es ist nur der Ordnung halber. Wir müssen nun einmal alle offenen Fragen beantworten, ehe wir den Fall zu den Akten legen.«
    »Fall?« wiederholte ich betont. »Oh, jetzt ist es schon ein Fall. Ich dachte, es wäre ein schreckliches Unglück gewesen.«
    Ich stand auf. »Sagen Sie, Inspektor: Verdächtigen Sie irgend jemanden?«
    »Natürlich nicht. Aber «
    »Dann verstehe ich nicht, warum Sie mich in meiner Trauer stören«, unterbrach ich ihn kalt. Ich deutete auf die Tür. »Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben, können Sie mich jederzeit anrufen. Und jetzt gehen Sie bitte.«
    Cards Blick wurde hart wie Eis, und ich begriff, daß ich soeben einen Fehler begangen hatte, den ich vielleicht noch bitter bereuen würde. Aus irgendeinem Grund mißtraute mir Card und ich hatte nichts anderes getan, als noch Öl in die Flammen zu gießen.
    Aber er erwiderte nichts mehr, sondern stand auf, verabschiedete sich mit einem Nicken und ging ohne auch nur ein Wort mehr zu verlieren.
    Sein Kollege jedoch blieb unter der Tür stehen, drehte sich zu mir herum und zog etwas Kleines, Weißes aus der Tasche. »Ich verstehe Sie«, sagte er, überraschend sanft und so leise, daß ich ziemlich sicher war, daß er befürchtete, von Card gehört und später für seine Worte zur Rechenschaft gezogen zu werden.
    »Der Moment war nicht besonders klug gewählt, fürchte ich.
    Aber wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte oder Sie einfach mit mir reden möchten hier ist meine Karte. Good bye, Sir.«
    Verblüfft nahm ich die Visitenkarte entgegen und sah ihm nach, bis er ebenfalls verschwunden war. Ich hörte ihn draußen mit Card reden, und Cards Stimme klang alles andere als freundlich, wenngleich ich die Worte nicht verstehen konnte.
    Augenblicke später fiel die Haustür ins Schloß.
    Als Mary eine Minute später zu mir hereinkam, stand ich noch immer da und starrte die Visitenkarte an. Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Card hatte ja insofern recht, als der Tod meines Großvaters noch längst nicht geklärt war, doch die Wahrheit mußte ganz woanders liegen, als er ahnte und es gab jemanden, der mir vielleicht weiterzuhelfen vermochte: Diese Visitenkarte stieß mich gewissermaßen mit der Nase darauf.
    Ich fuhr herum, ignorierte Marys verwunderten Gesichtsausdruck und stürmte, immer drei, vier Stufen auf einmal nehmend, die beiden Treppen bis ins Dachgeschoß hinauf.
    Nicht einmal zehn Minuten später hatte ich es geschafft, mein vorher säuberlich aufgeräumtes Zimmer in ein Chaos zu verwandeln. Es gab keinen Schrank, den ich nicht durchwühlt hätte, keine Schublade, deren Inhalt nicht auf dem Bett oder dem Fußboden verstreut wäre aber meinen Morgenmantel hatte ich nicht gefunden. Mary hatte zweimal gegen die Tür geklopft und gefragt, ob sie mir irgendwie behilflich sein könne, aber ich hatte sie gar nicht beachtet und wie besessen weitergesucht. Ich wußte ganz genau, daß ich den Morgenmantel, in dessen Tasche sich die Visitenkarte befand, die ich von H. P. bekommen hatte, in diesem Zimmer ausgezogen hatte
    und diese verdammte Visitenkarte mußte ich finden!
    Hier war sie jedenfalls nicht, wie ich schließlich widerstrebend einsah.
    Es klopfte zum drittenmal, und Marys Stimme drang durch die Tür. »Master Robert, Sir ist bei Ihnen wirklich alles in Ordnung? Brauchen Sie irgendwelche Hilfe?«
    Verärgert drehte ich mich herum und riß die Tür auf; so heftig, daß Mary mir um ein Haar in die Arme gefallen wäre.
    Offensichtlich hatte sie das Ohr gegen die Tür gepreßt und gelauscht.
    »Wo ist der Mantel?« fragte ich grob. »Ich brauche diesen verdammten Mantel, Mary.«
    »Mantel?« Mary runzelte die Stirn, blickte an mir vorbei
    und wurde um einige Nuancen blasser, als sie das Tohuwabohu sah, das ich im Zimmer angerichtet hatte. »Welchen Mantel meinen Sie, Sir … Robert, meine ich.«
    »Den Hausmantel, den ich vorgestern getragen habe«, antwortete ich unwillig.
    »Den …« Mary brach ab, sagte: »Oh«, und blickte mich eine Sekunde lang sehr sonderbar an. »Aber er war völlig verdreckt, Sir«, sagte sie. »Sie haben Kaffee darüber geschüttet, glaube ich. Wahrscheinlich vorgestern abend, als Sie die Tasse zerbrochen haben. Ich habe ihn einem der Mädchen gegeben,

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