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Der Erbe Dschainas

Titel: Der Erbe Dschainas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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nicht, es sei denn, er würde den Befehl wiederholen. Zu spät. Der System-Backup versinkt in schwarzer Isolation. Ein Reißen. Die zweite Armschiene ist weg, und jetzt bohren sich Skellors Finger unter die Herzplatte des Kommandanten und nähern sich dem Lebenserhaltungssystem; und auf Tomalons Kopf lösen sich die Primärverbindungen zu Occam.
    Jemand brüllt, und Tomalon erkennt, dass er selbst es ist.
    Ist das vielleicht genug?
    Tomalon öffnet ein System, das in der Polis schon lange niemand mehr benutzt hat, und Occam willigt freudig ein.
    Es war schön, sagt Occam.
    Lebewohl, entgegnet Tomalon.
    Das ungenutzte System geht online wie eine herabsausende Guillotine: es beruht auf Hardware und ist damit einer Subversion nur schwer zugänglich; es wurde eingebaut, als noch Menschen die Polis regierten und die KIs kein völliges Vertrauen genossen. Occam stirbt; sein Verstand zersplittert unter einem gewaltigen Stromstoß; Kristallschichten blättern ab; perfekte Logik und angehäufte Erinnerungen vergehen in einer sengenden elektrischen Explosion. Überall im Schilf stürzen Überwachungsdrohnen ab, sickert jeder Verstand aus ihnen heraus und verwirbeln einzelne Stromspitzen die Silizium-Matrizes, in denen diese Verstandeseinheiten gespeichert waren. Der Rumpfreparatur-Roboter vor LS-26 schließt die Luke und durchschneidet damit eine in der Öffnung feststeckende Leiche, ehe er sich an den Rumpf heftet und stirbt. Andere Drohnen erstarren und sind in endloser Wiederholung ihrer jüngsten Arbeit gefangen. Eine, die gerade ein tragendes Teil des Rumpfes schweißt, fährt mit den entsprechenden Bewegungen noch lange fort, nachdem ihr schon der Schweißdraht ausgegangen ist, und eine weitere Drohne im Schiff poliert ein Stück Fußboden endlos weiter und wird sich irgendwann hindurchgeschliffen haben. Steuertafeln schalten sich für einen Augenblick ab und erwachen wieder zu isolierter Funktion. Und schließlich senken achtundzwanzig hautlose Golems wie ein Mann die Köpfe, und weißglühende Flecken erscheinen auf polierten Keramal-Schädeln, als interne Bauteile durchschmoren und verbrennen. Weitere zweiundzwanzig stehen wie ein Mann auf und treten aus ihren Stützgerüsten hervor.
    »Zur Hölle mit dir!«, tobt Skellor, und seine Hand schließt sich um Tomalons Kehle.

Kapitel 9
    Das Bild vom Zimmer und seinem kompletten Inhalt, abgesehen von den Kreaturen, verblasste und wich dem Bild von einem Schlafzimmer mit drei Betten und dem tief und fest schlafenden Bruder Malcolm. Die Frau warf einen kurzen Blick auf ihren Sohn und überlegte vielleicht, ihm das zu zeigen – und sie selbst hatte sicherlich eine gute Vorstellung davon, welche Richtung die Geschichte jetzt einschlug. Der Junge war in das Spiel mit seinen makabren Spielsachen vertieft und hätte es wahrscheinlich nicht mal bemerkt, falls sie aufgehört hätte, ihm vorzulesen. Allerdings wollte sie weitermachen, weil sie selbst Spaß an der Geschichte hatte.
    »›Wer hat da in meinem Bett geschlafen?‹, fragte Papa-Ente, als er die Bettwäsche zerknittert und verkrumpelt vorfand«, las sie – und drückte die Parodie übertrieben aus.
    Der Junge blickte zu ihr auf und runzelte die Stirn. Sie fuhr in einem eher normalen Ton fort: »›Wer hat da in meinem Bett geschlafen?‹, fragte Mama-Ente, als sie auch ihre Bettwäsche zerknittert und verkrumpelt vorfand. ›Muschel koffel fuffel‹, sagte Baby-Ente.«
    Die Frau starrte auf das Bild mit der kleinsten der drei Schnatterenten – was bedeutete: die nur etwa drei Meter große –, während diese mit den Kiefern mahlte, wobei ihr zwei schmutzige rote Bettschuhe mit roten und weißen Streifen seitlich aus dem Schnabel ragten und Blut in mehreren Rinnsalen über die Brust lief. Dem Jungen hätte das Bild gefallen, aber er beschäftigte sich zu sehr mit seinem Spielzeug, das inzwischen sein Opfer unter dem Teppich hervorgezogen hatte und es auf die gleiche Weise benutzte, wie Bruder Malcolm benutzt worden war. Als mit einem letzten Schluck die beiden Füße verschwanden, las die Frau den Text der Geschichte zu Ende:
    »›Sprich nicht mit vollem Mund‹, sagten Mama und Papa-Ente gleichzeitig. «
    Am Morgen schoben sie sich nur etwa eine Stunde lang durch das Flötengras, ehe sie eine Lichtung aus niedergewalzter Vegetation erreichten, wo offenkundig etwas einen Äser gerissen und verschlungen hatte. Altes und neues Gras war zu sehen, wobei das Letztgenannte inzwischen selbst in dieser feuchteren Gegend

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