Der Erbe Dschainas
den Mann von der Frau zu unterscheiden.
»Verfressene Bauern«, kommentierte die Frau.
Der Junge blickte zu ihr auf und wartete.
»Man wird nie einen fetten Teicharbeiter antreffen« , erklärte sie ihm.
Der Junge starrte sie weiterhin an, bis sie mit der Geschichte fortfuhr.
»Als die beiden Arbeiter die Brücke überquerten, stieg der Welsaran vor ihnen herauf und sagte: ›Gebt mir meine Maut aus Fleisch, Blut und Knochen.‹ Entsetzt brachten die beiden kein Wort hervor, als das Monster auf sie herabstieß. Dann jedoch sagte Judge, die flinker im Kopf war als ihr Gatte: ›Schenke uns das Leben, und wir bringen dir mehr Fleisch, Blut und Knochen, als du dir vorstellen kannst!‹ Clever entgegnete das Monster: ›Einer von euch wird mir die Maut bringen, während ich den anderen hier festhalte.‹ Judge ging und, brachte als Erstes den Bruder, dessen Sünde die Völlerei war …«
Auf dem Bild hielt der Welsaran Sober mit einer seiner vielen Pranken, während er mit der anderen einen der sündigen Brüder nach dem anderen verspeiste, die Judge zur Brücke führte. Die Frau blickte kurz ihren Sohn an und freute sich zu sehen, dass er es anscheinend nicht bemerkte, wenn sie es unterließ, einige der von den Brüdern verübten Sünden laut vorzulesen – zu gebannt verfolgte er, wie die Brüder gemampft wurden und sich der Bauch des Welsarans weitete.
Die Morgendämmerung kroch unbemerkt heran, verdeckt von den Blitzen der Impulskanonen und einer leuchtenden Explosion nach der anderen. Langsam zeichneten sich die alten Wälle und Bastionen rings um die Stadt vor einem leicht violetten Himmel ab – und wurden allmählich erkennbar in ihrer ganzen Pracht als Mittelalter-Imitate. Früher hatten diese riesigen Abwehranlagen aus Kalkstein und Plaston dazu gedient, die etwas feindseligen Kreaturen der Wildnis aus der kleinen Siedlung hinter den Wällen fernzuhalten. Das Bevölkerungswachstum und die Ausbreitung der Getreidefelder in die Wildnis hinein hatten besagte wilde Tiere vertrieben, und seit hundert Jahren verhinderten die Wälle nur noch, dass sich die Stadt nun ihrerseits wie eine Art giftiger technologischer Schaum in die Landschaft hinaus ergoss. Jetzt dienten sie erneut ihrem wahrhaft mittelalterlichen Zweck, da heute Morgen der Feind vor den Toren stand.
Carl stellte die Position der Elektromag-Kanone des Nordturms fest, als sie das Feuer auf einen der restlichen Panzer eröffnete, der gerade auf dem Damm zwischen zwei Squerm-Teichen entlangbrauste. Der Lärm eiserner Geschosse, die auf die Panzerung prasselten, war entsetzlich, und Stücke regneten von dem Panzer, als er wendete und in einen der Teiche hinunterfuhr, um dort Deckung zu nehmen. Carl hoffte im Interesse der Besatzung des anderen Panzers, dass kein Geschoss bis in die Kabine durchgedrungen war: falls er durchlöchert wurde und die Löcher groß genug waren, fand die Besatzung gar nicht die Zeit zu ertrinken oder zu ersticken, ehe die Squerme sie erwischten.
Das Summen des Transformators, gefolgt von einem Stroboskoplicht, informierte sie darüber, dass die Impulskanone genügend abgekühlt war, damit Beckle sie erneut abfeuern konnte.
»Hab den Bastard erwischt!«, verkündete er.
»Bist du diesmal sicher?«, fragte Carl, während er verfolgte, wie Wasser über den unteren Rand des Displayschirms schwappte und die Squerme in diesem Wasser auf der Außenwand des Panzers herumkratzten; vielleicht spürten sie, dass diese große Blechkiste in ihrem Teich Weiches enthielt, das man kauen konnte.
»Klar doch«, entgegnete Beckle. »Es war dieselbe wie vorher; ich vermute, sie hatten sie gerade von der anderen Seite herübergekarrt.«
Carl betrachtete sich diese neueste brennende Lücke im Kalksteinwall und war der Meinung, dass sie dort nichts mehr irgendwo hinkarren würden.
»Dann verschwinden wir aus diesem Loch«, sagte er und schob die Lenksäule nach vorn und aufwärts. Der Panzermotor dröhnte los, und Squerme und Wasser rutschten vom Bildschirm herunter. Sofort prasselten Geschosse von Handfeuerwaffen auf die Panzerung ein, und Beckle revanchierte sich, indem er mit der Impulskanone ganze Brocken aus der Stadtmauer schoss. Auf den Displays und durch Blicke zu beiden Seiten überzeugte sich Carl davon, dass jetzt sämtliche Panzer vorrückten.
»Dann erledigen wir mal dieses Tor«, erteilte er den Befehl über die Komverbindung. Raketen strahlten rechts und links auf, und die alten Traubenholztorflügel verschwanden in einer
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