Der Erbe Dschainas
der Soldat sie ihr jedoch aus der Hand geschlagen und hielt ihr die Mündung der Pistole unters Kinn. Eldene erstarrte; sie kannte diese Art Pistole – das gleiche Modell, das ihr Fethan gegeben hatte, als sie das Ackerland verließen; sie wusste genau, wozu das Ding fähig war.
»Was ist mit der hier?«, fragte eine Stimme von draußen.
»Lassen Sie sie liegen. Sie ist gleich tot, falls nicht jetzt schon«, sagte Eldenes Bezwinger.
Ein zweiter und dann ein dritter Soldat stiegen ein, und ein paar Minuten später schloss ein vierter die Tür hinter sich. Der Erste nahm jetzt die Pistole von Eldenes Kinn und klappte sein Visier hoch. Es war schon seltsam – dieser bizarre Gedanke ging Eldene durch den Kopf –, wie wenig man dem Äußeren eines Menschen entnehmen konnte; schließlich war sie schon oft plumpen, lustig wirkenden Proktoren begegnet, die immer eine witzige Bemerkung oder lustige Anekdote auf den Lippen hatten, während sie einem Arbeiter die Haut vom Rücken peitschten. Dieser Mann wirkte jedoch mit seinem Falkengesicht und dem verzerrten Mund einfach nur böse und hatte offenbar auch Spaß daran.
Er deutete mit der Waffe auf Apis. »Kontrolliert den da. Er lebt vielleicht noch.«
»Du hättest einen Kopfschuss setzen sollen, Speelan«, fand einer der Neuen.
»Nein, ich denke, der Diakon möchte ein paar Worte mit diesen Leuten wechseln.«
»Was ist mit den übrigen vieren?«
»Wir vergessen sie. Ich möchte nicht länger hier herumtrödeln.« Er blickte zur Windschutzscheibe hinaus. »Vielleicht erledigt dieser Kapuzler sie ja.«
Eldene hielt den Mund. Sie wusste aus langer Erfahrung, dass man nur unerwünschte Aufmerksamkeit fand, wenn man sich zu Wort meldete. Speelan wandte sich wieder um und starrte sie an, als hätte er sie für einen Augenblick vergessen gehabt. Fast lässig holte er mit der Pistole aus und schlug ihr mit dem Lauf an die Schläfe.
Manchmal war es einfach nicht hilfreich, wenn man präzise logisch dachte und sich Fakten, bei denen es um Leben und Tod ging, wie scheußliche Zahnfleischabszesse präsentierten. Drache war dahin: begraben unter einem Erdrutsch, der den Kratergrund um mindestens zehn Meter angehoben hatte. Aber welche Bedeutung sollte das zum Teufel noch mal haben, wenn man an das dachte, was noch geschehen würde?
»Ich kann und werde nicht glauben, dass Narbengesicht irgendwo darunter liegt«, sagte Cormac und verriet wie immer nichts von dem, was er fühlte.
Gant war anderer Meinung. »Er könnte immer noch hier sein, und falls er das ist, dann können Sie darauf wetten, dass er nicht tot ist.«
»Im Gegensatz zu anderen, die ich nennen könnte«, warf Thorn ein.
»Ich bin nicht tot«, gab Gant zu bedenken. »Wie könnte ich? Ich bin eine Maschine.«
»Das hilft uns nicht weiter«, sagte Cormac, ehe Thorn eine Antwort formuliert hatte. »Gant, woher die Gewissheit, dass er nicht tot ist?«
Gant zuckte die Achseln und drehte sich so weit um, dass er mit der APW in den sich langsam füllenden Krater zielte. »Wie Sie wissen, braucht er keinen Sauerstoff zum Atmen. So, wie ich es verstanden habe, ist er einfach am leistungsfähigsten, wenn ihn ein gasförmiges Oxydationsmittel umgibt, mit dessen Hilfe er den Treibstoff des Körpers verbrennt. Er kann aber auch andere Atmosphären verarbeiten, wie wir schon herausgefunden haben, und ich weiß, dass er auch ohne jede Atmosphäre noch tagelang funktioniert, ehe er einfach erstarrt.«
»Und woher wissen Sie das alles?« Cormac tat so, als interessierte ihn die Antwort darauf.
»Von Mika. Nicht direkt von ihr, aber sie hat eine ansehnliche Datenbank über Drachenmänner angelegt.« Er deutete mit dem Kopf in den Krater. »Er könnte dort unten im Zustand biologischer Starre liegen – oder gerade dabei sein, sich den Weg nach draußen freizugraben.«
»Aber warten wir so lange, bis wir es herausgefunden haben?«, wollte Thorn wissen.
Cormac musterte die beiden Männer, während er über die derzeitige Lage nachdachte. Vielleicht war es besser zu warten und zu sehen, ob sich Narbengesicht tatsächlich ins Freie grub, denn für Cormac hatte es den Anschein, als wären alle anderen Unternehmungen nutzlos. Die Theokratie würde die Rebellenarmee vernichten, sei es im offenen Kampf auf der Erdoberfläche, sei es durch kinetische Raketen im Untergrund – zusammen mit dem Rest der dortigen Bevölkerung. Und es war ein solch sinnloses Drama: das Gezänk von Gänsen, die in einem Pferch vor dem Schlachthaus
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