Der Erbe Dschainas
nur, dass er nicht in unmittelbarer Zukunft über dieses Stadium hinausgehen möchte.«
»Bevor Sie zu philosophisch werden, sollten wir uns vielleicht überlegen, was wir tun«, warf Fethan ein.
Cormac warf dem alten Cyborg einen kurzen Blick zu und wandte sich an Narbengesicht: »Sind deine Leute bereit zum Aufbruch?«
Narbengesicht bleckte zur Antwort nur die Zähne.
»Dann«, fuhr Cormac fort, »schneiden wir ein Loch in die Armee der Theokratie und marschieren so lange weiter, bis wir das Gebirge erreicht haben. Dann bringen Sie …«, er blickte Fethan an, »… und Thorn uns zu John Stantons Schiff.«
»Und was dann?«, fragte Thorn.
Fast ohne nachzudenken zog Cormac die Schmalpistole und kontrollierte die Ladung. »Sorgen wir zunächst mal dafür, dass wir so weit kommen, ja?«
Mit zitternden Händen wechselte Aberil das Magazin und legte dann das elektromagnetische Gewehr an. Am liebsten hätte er den Inhalt dieses zweiten Magazins komplett in den Kopf der Kreatur gejagt, aber das wäre mehr als dumm gewesen, wenn man bedachte, dass er nur noch ein drittes Magazin dabei hatte und sicherlich noch mehr Kreaturen da draußen lauerten. Der Welsaran bewegte sich nicht mehr, aber in Anbetracht der Tatsache, dass ihm der halbe Kopf fehlte, war das nicht überraschend. Molat bewegte sich allerdings noch, was Aberil schon überraschte, wenn er sah, wie wenig von dem Proktor übrig war. Er schluckte den abscheulichen Geschmack im Mund herunter, ging zu Molat hinüber und sah zu, wie er schließlich starb. Das dauerte auch nicht lange, denn das Blut lief aus ihm heraus wie roter Wein aus einer kopfüber gehaltenen Flasche.
Letztlich fuhr Aberil mit einem Ruck hoch wie aus einer Trance und spürte auf einmal wieder, wie schlecht es ihm ging. Das Gesicht war zu einer Schmerzenskugel angeschwollen; die gebrochenen Zähne taten scheußlich weh, und eine weitere Schwellung schloss allmählich seine Augen. Als ob das noch nicht reichte, war er auch sicher, dass einige Rippen gebrochen waren. Er vermutete allmählich, dass der blutige Schaum, den er immer wieder ausspuckte, nicht aus den Gesichtsverletzungen stammte, sondern aus einer seiner Lungen.
Zur Hölle mit dir, Stanton!
Er wusste schon viel zu lange, dass er diese Familie besser in Ruhe gelassen oder gleich komplett ausgerottet hätte. Trunken über das Ausmaß seiner Macht als junger Proktor hatte er damals Verbrechen begangen, die Lellan Stanton zur Rebellin machten und ihren Bruder John zu einem Killersöldner.
Mit qualvoller Langsamkeit versuchte Aberil jetzt zum Landungsboot zurückzukehren, und gelegentliche Rauch- oder Dampffontänen, die davon aufstiegen, markierten für ihn das Ziel. Keinen Augenblick lang kam er auf die Idee, er könnte selbst ums Leben kommen, denn er war überzeugt, dass Gott noch etwas mit ihm vorhatte. Ja, er rang hart um die Rettung des eigenen Lebens, wie gerade eben gegen den Welsaran, denn alles andere wäre Ausdruck einer strafwürdigen Arroganz gewesen – all das gehörte zur kontinuierlichen Formung seiner Persönlichkeit durch Gott. Auch die Schläge, die Stanton ihm verabreichte, waren Bestandteil dieses Prozesses. Nein, Aberil würde nicht umkommen – auf ihn wartete noch viel zu viel Arbeit.
Da … etwas bewegte sich!
Soweit er sich an das erinnerte, was er als Kind gelernt hatte, waren Welsarane äußerst revierorientiert, sodass er es hier eindeutig nicht mit einem weiteren Tier dieser Art zu tun hatte. Als er das Geräusch erneut hörte, versuchte er die Erkenntnis als Irrtum abzutun, dass diese Kreatur viel größer war als ein Welsaran. Das Geräusch, das er als Nächstes hörte – ein Wiehern rasch zuckender Klingen – jagte ein fast übernatürliches Entsetzen durch ihn.
Der Herr ist mein Hirte …
Viel lauter jetzt hörte er das Zischen eines langen, harten Körpers, der sich durch Flötengras und über dicht gepackten Schlamm bewegte. Aberil ging schneller; er atmete inzwischen pfeifend, und ein roter Sprühnebel verbreitete sich auf der Innenseite der Atemmaske. Er kannte dieses Geräusch: welcher höherrangige Theokrat hatte sich noch keine Holoaufnahmen von gefangenen Rebellen angesehen, die man als Köder unweit der Berge angepflockt hatte? Aber das jetzt war sicherlich albern: Kapuzler wagten sich nicht so weit auf die Ebene hinaus.
Als die Geräusche lauter wurden, blickte Aberil gerade rechtzeitig zur Seite, um einen riesigen Segmentkörper vorbei rasen zu sehen wie einen Schnellzug.
Weitere Kostenlose Bücher