Der Erbe Dschainas
einen Skole.« Eldene blickte wieder auf den offenen Kasten und wurde sich der Tatsache bewusst, dass Fethan nie einen Skole getragen hatte. Sie fuhr fort: »Du hast ihn mit der Hand umgebracht … einfach umgebracht.«
»Naja, Mädchen, das wird für dich schwer zu begreifen sein, aber alles, was ich dir erzählt habe, ist wahr: es gibt eine Polis der Menschen, es gibt einen Untergrund und es besteht Hoffnung«, versetzte Fethan.
»Das erklärt nicht, warum du noch lebst«, beharrte Eldene.
»Stimmt.« Fethan zuckte die Achseln. »Die Sache ist die: Ich bin nicht ganz ein Mensch, sondern größtenteils eine Maschine, vor langer Zeit in der Polis gebaut. Derzeit bin ich hier, um euch bei eurer Revolution zu helfen.«
»Quatsch mit Soße«, erwiderte Eldene, was schon häufiger ihre Antwort auf einige von Fethans abstruseren Geschichten gewesen war.
Fethan starrte sie lange an, griff dann nach oben und packte eines der Stahlgeländer des Aerofans. Während er weiter Eldene ansah, drehte er das Geländer, bis es an einem Ende vom Pfosten abbrach, und ringelte dann das Metall in der Hand, als wäre es nasser Lehm.
»Okay«, sagte der alte Mann, »ich bin nicht zum größten Teil Maschine, sondern einfach ein ganz schön zäher alter Knochen, also solltest du lieber darauf achten, was du sagst, Mädchen!«
Als Fethan später mit Hilfe eines weiteren Werkzeugs aus seinem Kasten die zwei kleinen Eisenkugeln aus dem eigenen Körper grub, war Eldene schließlich doch geneigt, die Geschichten des Alten zu glauben.
Zuerst wurde sein Mund trocken wie ein in der Sonne gehärteter Ziegel, und dann fühlte es sich an, als kehrte der vom Bioknoten abgesaugte Speichel mit Säure versetzt in den Mund zurück. Automatisch versuchte er ihn auszuspucken, als die Schmerzen zu stark wurden, aber das Zeug quoll im Mund auf und füllte ihn völlig aus. Während er in tiefen, schmerzhaften Zügen durch die Nase atmete, hämmerte er mit der Faust an die Wand hinter ihm. Die Augen füllten sich mit Tränen. Er konnte nicht schreien, konnte nichts gegen die Schmerzen unternehmen und auch nichts gegen das grauenhafte Empfinden, das ihnen folgte, als etwas durch seinen Hals sickerte. Er würgte und kämpfte gegen das Erbrechen an, denn eine solche Reaktion würde ihn in dieser Lage das Leben kosten. Schmerzen breiteten sich in der Brust aus wie auch in den Nasennebenhöhlen und dem Hinterkopf.
Es bringt mich um!
Skellor kämpfte um klare Sicht und fand sie in seinem Kristallteil, sogar während die Schmerzen plötzlich noch stärker wurden rings um die Stellen, wo die Verstärkerleitung in den Kopf führte und wo die Kühlschläuche in die Brustarterien liefen, um den chemischen Schnittstellen innerhalb des Verstärkers kühlendes Blut und den darin transportierten Sauerstoff zuzuführen. In der Folge eines Alles-oder-nichts-Entschlusses initialisierte er das Starterpaket, um den KI-Verstärker voll online zu bringen. Ein leises Brummen vibrierte in seinem Schädel, und als er hinunterblickte, sah er die beiden Kettenglasschläuche in seine Brust eindringen und sich mit Blut füllen. Ihm wurde klar, dass der Verstärker jetzt wie ein Lebewesen von roten Adern durchzogen war. Und genau so war es auch.
Die Klarheit der Sicht war jetzt gewaltig, und mit distanzierter Kühle sah er zu, wie die Dschaina-Substruktur seinen Körper durchdrang und tötete, während sie selbst wuchs. Als Fäden den Verstärkerverbindungen im Gehirn nachspürten und schließlich in den Verstärker selbst eindrangen, verfolgte er ihren Fortschritt bis zu den chemischen Schnittstellen. Diese Dschaina-Technik war subversiv: Wie ein Parasit zeigte sie sich bestrebt, das System zu beherrschen, in dem sie sich wiederfand, und es zum eigenen Vorteil zu gebrauchen. Allerdings wusste sie gar nicht, was ihr zum Vorteil gereichte, denn sie war nur ein geistloser Mechanismus. Indem er die chemischen Schnittstellen innerhalb des eigenen Verstärkers einsetzte, versuchte Skellor ihr einen Verstand zu vermitteln: seinen eigenen nämlich – denn Dschaina-Technik bedurfte der Zähmung.
Schließlich standen die Verbindungen der Dschaina-Substruktur, und Skellor machte sich daran, Programme und Sicherungssysteme zu entschlüsseln und erste Informationen und schließlich ganze Wogen davon in seinem gewaltigen Speicher zu katalogisieren. In seinem Speicher, denn Skellor und die KI waren jetzt dasselbe Wesen und arbeiteten mit den Kapazitäten einer gewaltigen
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