Der Erbe Dschainas
genommen, dann hätte sie geglaubt, dass er den Verstand verlor, aber inzwischen musste sie damit fertig werden, dass der, der dort redete, nicht gänzlich ein Mensch war. Darüber hinaus musste sie damit fertig werden, dass sie nicht mehr besonders lange zu leben hatte. Sie entfernte sich von Fethan, trat zu einer nahe gelegenen Trikonus-Schale auf der feuchten Erde und setzte sich darauf.
Fethan starrte sie an. »Das verschafft uns eine Atem-Pause. Falls man uns nicht entdeckt, müssten wir ohne ernsthafte Probleme die Berge erreichen«, sagte er.
Eldene lachte. »Du brauchst ja nicht zu atmen«, gab sie zu bedenken.
»Ah«, sagte Fethan und schritt dann rasch durch das Flötengras zu der Stelle hinüber, wo er am Aerofan gearbeitet hatte. Bald kehrte er mit diversen Gerätschaften zurück, die zu erkennen Eldene einen Augenblick Zeit brauchte. »In dieser Flasche findest du genug für ungefähr einen Tag, und die Reserveflasche bietet dir noch mal einen Vorrat für weitere zwei oder drei Tage.«
Eldene erkannte jetzt Proktor Volus' Helm mit dem getönten Visier, dem Atemkragen, der mit dem Visier luftdicht abschloss, und einem Gewirr von Schläuchen an einer flachen, eckigen Flasche, die man auf dem Rücken trug. Eine Zeit lang wiegte sich Eldene noch in dem Bedürfnis nach Selbstmitleid, aber Fethan bot ihr jetzt eine Chance zu überleben an. Sie stand auf und streckte die Hände nach dem Apparat aus.
Fethan hielt ihn noch zurück. »Noch nicht. Du musst erst so viel Nutzen wie möglich aus dem Skole ziehen, ehe er stirbt, und das könnte irgendwann in sechs bis zwölf Stunden geschehen – aber falls du jetzt gleich direkt Sauerstoff aufnimmst, entzieht er ihn dir nur wieder, um ihn zu speichern«, sagte er. Eldene wusste nur zu gut, dass er Recht hatte – der Sauerstoff, der sie während des Arbeitstages am Leben hielt, wurde nachts vom Skole aufgenommen, während sie im Schlafgebäude der Farm waren. Sie nickte, und jetzt gestattete Fethan, dass sie das Atemgerät an sich nahm.
Eldene nahm Helm und Atemgerät in Augenschein – sie hatte schon Proktoren gesehen, die diese Dinger ohne Helm und Visier trugen und nur eine maulförmige Maske benutzten, wie Ulat sie getragen hatte; diese klappte man vom Kragen aus hoch und schloss sie über Mund und Nase. Einen Augenblick später entdeckte sie ein ganzes Paket solcher Masken – Wegwerfprodukte aus komprimierten Fasern – seitlich an dem Paket mit der Sauerstoffflasche. Sie löste Helm und Visier davon und warf beides weg, legte sich den Kragen um, schloss dessen Klammer im Genick und befestigte die Maske am Scharnier unterm Kinn. Dann schob sie die Arme durch die Riemen des Sauerstoffpakets und hängte es sich auf den Rücken – während sie die Reserveflasche am Schulterriemen trug. Die Maske ließ sie vorläufig am Scharnier hängen, denn sie über das Gesicht zu klappen, das hätte die Sauerstoffzufuhr sofort gestartet. Dann wandte sich Eldene Fethan zu.
»Du hast von den Bergen gesprochen?«, fragte sie und stellte fest, dass Fethan sich inzwischen Stachel und Pistole des Proktors an den Gürtel gehängt hatte.
»Yeah, wir gehen dorthin und suchen uns einen Eingang zum Untergrund. Müsste etwa drei Tage dauern, also brechen wir lieber gleich auf.« Fethan ging ihr voraus über den nassen Boden und trampelte dabei einen Pfad durchs Flötengras.
Während sie ihm folgte, konnte Eldene nicht umhin, darüber zu spekulieren, wieso die Zahl von drei Tagen so dicht an das Ausmaß ihres Sauerstoffvorrats kam. Vielleicht wollte Fethan sie nur in den letzten Tagen ihres Lebens bei Laune halten.
Das Flötengras stammte noch aus der letzten Wachstumszeit und war demzufolge tot, trocken und brüchig. Die Gräser zerbrachen einfach unter Fethans Schritten. Jeder Stängel war hohl und vom Durchmesser eines Menschenfingers; Löcher zogen sich daran entlang, wo Seitentriebe abgebrochen waren. In sanftem Wind erklang eine seltsame Musik aus dieser Vegetation, aber mehr als ein sanfter Wind erzeugte aus ihr nur Schneestürme aus papierähnlichen Fetzen. Unter Eldenes Füßen war der Boden dick mit solchen Fetzen bedeckt, die Fethan schon niedergetrampelt hatte oder die früher von den Pflanzen abgefallen waren. Diese Schicht über den Wurzelstöcken des Flötengrases verhinderte, dass Eldene im zunehmend sumpfigen Boden versank. Aus den Wurzelstöcken ragten, wie ihr auffiel, bereits die hellgrünen und schwarzen Spitzen der neuen Gewächse ins Freie, bereit,
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