Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Erbe Dschainas

Titel: Der Erbe Dschainas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
Vom Netzwerk:
virtueller Realität hast du zwanzig Menschen umgebracht, viele davon zufällig, und es hatte keine Konsequenzen. Die ganze Zeit warst du dir darüber im Klaren, dass diese Menschen nicht real waren. Es wäre möglich gewesen, dieses Wissen zu unterdrücken, aber die Desorientierung kann einen Verstand manchmal in paranoide Schizophrenie treiben.«
    »Mein Verstand besteht aus Silizium«, gab er zu bedenken.
    »Dein Gehirn besteht aus Silizium. Dein Verstand setzt sich aus Erinnerungen und Denkmustern zusammen, die sich von ihren Vorgängern in deinem organischen Gehirn kaum unterscheiden.«
    »Ich höre mein Herz nicht schlagen.«
    »Du hast dich für die Memoplantation entschieden, Soldat Gant. Ziehst du die Beendigung vor?«
    »Nein … ich schätze nicht.«
    Gant erinnerte sich, wie er die Augen geöffnet und an die geflieste Decke gestarrt hatte. Er hatte sich aufgesetzt und aus alter Gewohnheit den Kopf hin und her gedreht. Er spürte dabei allerdings keinerlei Steifheit, keine unangenehmen Empfindungen oder Schmerzen irgendwelcher Art – keine Spur einer humanisierenden Schwäche. Er fühlte, oh ja, er fühlte, und das mit einer Klarheit, so hart und scharf wie ein Splitter Feuerstein. Er durchsuchte das Zimmer, indem er das Sehvermögen zuerst auf Infrarot schaltete, dann auf Ultraviolett, um schließlich das Gehör zu beiden Enden der Skala aufzudrehen, ehe er abrupt vom Tisch sprang und daneben stehen blieb. Er war nackt, der Körper frei von Narben. Als er an die Genitalien griff, stellte er fest, dass sie kein bisschen weniger empfindsam waren als in seiner Erinnerung.
    »Im Grunde bin ich nicht mehr Gant«, sagte er.
    »Nein, du bist eine Aufzeichnung von Gant.«
    »Ich meine, alles, was Gant ausmachte: die Drüsen, die Wehwehchen und Schmerzen, der Körper. Ich bin kein Mensch mehr, also verhalte ich mich auch nicht mehr so.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Ich habe mir die Unsterblichkeit gewünscht.«
    »Jetzt hast du sie.«
    »Gant nicht.«
    »So etwas wie Unsterblichkeit existiert nicht: der Tod ist Veränderung. Ein menschliches Wesen stirbt an jedem Tag seines Lebens. Der Stoff seines Körpers wird ausgetauscht, die Gedanken wechseln. Alles, was lebt, ist die DNA, und, welche Bedeutung hat das für dich? Am Ende ist es dein Denken, worauf es ankommt. Dein jetziges Bewusstsein ist dem Bewusstsein näher, das du zum Zeitpunkt deines Todes auf Samarkand hattest, als es für das Bewusstsein zutreffen würde, das du jetzt hättest, wärst du nicht umgekommen. Der Memoplantalkristall fängt nicht alles ein, aber der Fehlerspielraum ist geringer ab bei den Veränderungen eines organischen Gehirns über einen Zeitraum von …«
    »Oh yeah«, unterbrach Gant und lachte innerlich.
    Einen Geschmack, den er jederzeit nacherleben konnte, den hatte er beim ersten Atemzug mit diesem künstlichen Körper im Mund gehabt. Die Luft schmeckte süß, obwohl er sie zu dem Zeitpunkt nicht brauchte, ebenso wenig wie jetzt. Und er hatte ein wenig über das nachgedacht, was vor ihm lag – eine Zukunft, die ihm der Tod nicht hatte versagen können. Während er jetzt zum Horizont hinüberstarrte, atmete er eine Luft, die tödlich gewesen wäre für den Mann, der er einmal gewesen war.
    Cormac klickte den Bildverstärker auf die Brille seines Wärmeschutzanzugs und lud dann aus dem Signalgeber am Werkzeuggürtel den Signalcode in die CPU des Bildverstärkers hinauf. Während er die Vergrößerung um ein Mehrfaches steigerte, surrten und wanderten die Chamäleonlinsen, um die unwillkürlichen Kopfbewegungen auszugleichen; in Cormacs Blickfeld tauchte ein Rahmen auf, zentriert auf den schimmernden Horizont. Nichts anderes wurde sichtbar als schräge Felsplatten, die sich im glühenden Sonnenlicht grellweiß abzeichneten, Plasoderme, die wie die Krallen metallischer Riesenvögel in der dürren Erde dazwischen wurzelten, und die gelegentlich aufflackernde Bewegung eines Exemplars der reichhaltigen tödlichen Fauna. Es waren, fand Cormac, die Calloraptoren, die aus dieser Welt eine solche Hölle machten, weder die konstant über fünfzig Grad Celsius liegende Temperatur noch die austrocknende Luft voller Cyanidverbindungen noch die Schwerkraft von zwei g. Die Calloraptoren waren es, die einem den Schutzanzug aufschlitzen und den Inhaber den mörderischen Umweltbedingungen aussetzen konnten; sie waren die Kreaturen, die einen bis auf die Knochen abnagten, obwohl das Fleisch sie dabei schon vergiftete. Alles in allem war er

Weitere Kostenlose Bücher