Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Mutter stehen sah.
Alicia. Und niemand sonst weit und breit.
Sollte das heißen …
Wie durch einen dichten Nebelschleier erkannte er die quälende Wahrheit: Alicia war … Cat . Die Tochter von Beate Schenke, derentwegen sein Vater vor zwanzig Jahren nach Afrika geflogen war. Derentwegen sein Vater sterben musste, weil es irgendwelche Killer auf Beate abgesehen hatten, Organhändler, denen ebenfalls Karos erster Mann, Angel Stojanow, zum Opfer gefallen war. Er kannte die tragische Geschichte der Freundin seiner Mutter und hatte sie nicht vergessen, obwohl er damals noch ein Kind gewesen war. Sie hatte ihm keine Ruhe gelassen, wenngleich er die Zusammenhänge nie ganz verstanden hatte.
Seine Knie zitterten, als er sich an der Gebäudewand entlang tastete und sich hinter den Stall zurückzog, wo ihn die Frauen nicht sehen konnten. Würde er sich jetzt auf eine direkte Auseinandersetzu ng mit Karo und Alicia … mit Cat …
Verdammt , es durfte nicht sein! Alle hatten es gewusst. Bloß ihm hatte keiner ihre wahre Identität verraten. Er fühlte sich in tiefster Seele betrogen, weil Alicia die Tochter von Alain Germeaux war, diesem tausendmal verfluchten Feigling, der sich hinter seiner Krankheit versteckt und, anstatt sich selber in die Höhle der Organhändler zu begeben, dieses Himmelfahrtskommando seinem Vater und dessen Freund Frithjof Peters überlassen hatte. Germeaux hatte die beiden Männer in den sicheren Tod geschickt! Und niemand hatte sie zurückgehalten – am wenigsten Matthias Clausing, der die günstige Gelegenheit nutzte, seinem Halbbruder die Frau auszuspannen.
Die Demütigung ließ Manuel das Blut ins Gesicht schießen, doch gemessen an seinen anderen Empfindungen war das geradezu harmlos. Seine Beine gaben unter ihm nach und mit dem Rücken zur Wand rutschte er zu Boden. Resigniert ließ er den Kopf auf das angewinkelte rechte Knie sinken und rieb sich über Stirn und Augen.
Er hatte sich stets für klug gehalten, Alicia dagegen hatte ihn als einen vollkommenen Narren hingestellt. Für sie musste es ein amüsantes Spiel sein, während ihn seine Gefühle überrannten. Sie hatte ihn um ihren niedlichen, kleinen Finger gewickelt, ihn belogen und sich vermutlich insgeheim ins Fäustchen gelacht, weil er ihr wie ein Grünschnabel verfallen war. Sie gaukelte ihm ein bisschen Aufmerksamkeit und Verlangen vor, um ihn von unliebsamen Fragen nach ihrer Herkunft abzulenken.
Der Kummer zerriss ihm fast das Herz. Er fühlte sich benutzt und abgeschoben. Solange sie eine Frau ohne Vergangenheit war, hatte er geglaubt, er könnte die nächste Zukunft mit ihr teilen. Das war inzwischen vollkommen unmöglich geworden. Er wusste, er würde sich von nun an jedes Mal, wenn er sie bloß anschaute, daran erinnern, dass sein eigener Vater sterben musste, damit sie die Hölle Afrikas überleben konnte.
Als Kind hatte er geschworen, die Frau und den Mann, die ihm den Vater genommen hatten, bis ans Lebensende zu hassen. Wieder tauchten Erinnerungen auf, die er sich über all die Jahre verboten hatte. Die ruhige Stimme seines Vaters, der nie müde wurde, auf seine Fragen zu antworten. Der kehlige Singsang der gälischen Sprache, in der Adrian ihm, seinem ältesten Sohn, von den irischen Helden der Fianna, den Elfen und Feen erzählt hatte. Adrian Ossmann hatte wahrlich selten gelacht, seine bloße Anwesenheit indes hatte ihm, Manuel, immer ein Gefühl von Geborgenheit und Glück geschenkt. Er war sich der Liebe seines Vaters stets bewusst gewesen, wenngleich der wahrlich kein Mann großer Worte gewesen war.
Je mehr er darüber nachdachte, desto stärker wuchs der Zorn in ihm. Es war lediglich eine Frage der Zeit, bis sein Hass auf Cats Vater alles vergiften würde, was ihn umgab. Auch Cat. Vor allem sie. Seine Alicia.
„Wo ist nun eigentlich Danilo?“, erkundigte sich Suse ungeduldig bei ihrer Freundin. „Hat er keinen Urlaub bekommen, dass er nicht mit dir fahren konnte? Geh, Shawn, und sieh mal nach, ob Áine mit den Plätzchen fertig ist. Karo soll bei uns doch nicht verhungern.“
Einen Moment hin und her gerissen zwischen der Aussicht auf eine Überraschung, die Karo gewiss gleich für ihn aus ihrer Tasche hervorzaubern würde, und frischen Keksen ließ er sich widerwillig von Karos Ohren wickeln und nach einem Klaps auf seinen kleinen, runden Hintern sauste er zur Küche.
„Ich habe ihn nicht gebeten , mich zu begleiten“, erwiderte Karo schließlich seltsam gespreizt und distanziert.
„ Schade.
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