Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Worte zu sagen, ohne zu weinen. Wie Recht sie doch hatte! Er konnte das Leid von damals wieder mit all seiner Schärfe spüren. Er erinnerte sich an das Gefühl der Wut und der Einsamkeit, als seine Mutter versucht hatte, ihm zu erklären, weshalb sein Vater nie mehr nach Hause kommen würde. Eine eiskalte Hand krallte sich um sein Herz und machte ihm jeden Atemzug zur Qual.
Sie griff nach seiner Hand, er jedoch zuckte zurück.
„Es tut mir l eid, Manuel.“
„Es tut dir leid?“ Bis ins Innerste erschüttert fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar. Er wollte seinen Kummer nicht zeigen, also reagierte er mit blanker Wut. „Was? Was tut dir leid? Dass du die Tochter desjenigen bist, der für den Tod meines Vaters verantwortlich ist? Oder weil du es nicht für notwendig gehalten hast, dieses klitzekleine Detail zu erwähnen?“
„Ich werde mich niemals dafür schämen oder gar entschuldigen, die Tochter von Beate und Alain zu sein. Nicht einmal dir zuliebe.“ Sie erhob sich müde und wandte sich zum Gehen. „Ich bedauere lediglich, dass du es auf diese Weise erfahren hast.“
Noch immer loderte tödlicher Zorn in ihm, gefolgt von der Sehnsucht, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten. Die Tiefe seiner Empfindungen erschreckte ihn, allerdings brachte er es nicht über sich, Alicia zurückzuhalten. Die Wut in seinem Innern schmolz dahin und machte panischer Angst Platz. Himmelherrgott, er wollte an sie glauben und ihr den kleinen Teil seiner Seele schenken, den seine Welt noch nicht beschmutzt, in Fetzen gerissen und mit Füßen getreten hatte. Sie könnten sich gegenseitig heilen – wenn sie es zuließen.
Zur gleichen Zeit scheuchte Susanne versprengte Reste ihrer Familie aus der Küche und schloss stöhnend die Tür hinter Karo. Mit einer knappen Kopfbewegung bedeutete sie ihrer Freundin, Platz zu nehmen, während sie Wasser für einen tierisch starken Kaffee kochte, den sie jetzt vermutlich beide bitter nötig hatten.
„ Wer war denn dieser mordlüsterne Bursche, der es auf Alicia abgesehen hatte?“
„Normalerweise ist er nicht derart unhöflich und taktlos und ich hoffe, er entschuldigt sich noch dafür. Das war Manuel.“
„Manuel? Du meinst … Meine Güte, was für ein schmucker, junger Mann aus ihm geworden ist! Da kann ich nur sagen: Wow! Und offenbar hat er dein Temperament geerbt. Ge-fähr-lich!“
„ Pfff! Wenn’s doch bloß so wäre. Eigentlich war er immer mehr … Ich weiß auch nicht, was ausgerechnet heute in ihn gefahren ist, sich aufzuführen wie ein Idiot.“
„ Es hatte den Anschein, als hätte er ein Auge auf Alicia geworfen. Wird sie deine Schwiegertochter?“
„Wie gesagt, er kommt ganz nach seinem Vater.“
Karo ahnte, worauf Suse damit anspielte, und nickte mitleidsvoll. Manuels Vater hatte es selbst nach sieben gemeinsamen Jahren und drei Kindern nicht geschafft, Suse einen Heiratsantrag zu machen. Sie zweifelte nicht daran, dass Adrian ihre Freundin und seine Söhne mehr als sein Leben geliebt hatte, dennoch musste es etwas gegeben haben, das ihn davon abgehalten hatte, Nägel mit Köpfen zu machen und mit Suse vor den Traualtar zu treten.
„ Verrätst du mir endlich, was zwischen dir und Danilo vorgefallen ist?“, riss Suse Karo aus ihren Gedanken. „Wieso wolltest du nicht, dass er mitkommt? Ich hatte immer den Eindruck, es hätte ihm bei uns gefallen.“
„Nein, das ist es nicht. Ich wollte …“ Mit einem abgrundtiefen Seufzer sanken Karos Schultern hinab. Wie sollte sie es ausdrücken? Sie war zu Suse gefahren, um mit jemandem zu reden. Also würde sie am besten gleich mit der Tür ins Haus fallen.
„Ich werde mich scheiden lassen.“
„Du willst …“ Suse fiel der Messlöffel aus der Hand, als sie herum schoss. Das Kaffeepulver verteilte sich gleichmäßig über Tischplatte und Fußboden, doch sie bemerkte es nicht. „Verdammt noch mal, damit scherzt man nicht!“
Karo lachte Eisklumpen. „Sehe ich aus, als würde ich scherzen?“
„ Und das kann erst recht nicht dein Ernst sein! Karo! Was soll das bedeuten?“
„Er hat mich betrogen.“
„Betrogen? Danilo? Aber niemals!“ Suse schüttelte vehement den Kopf und atmete erleichtert auf, denn jetzt stand für sie fest, dass das nichts anderes als ein dummes Missverständnis sein konnte. Für Danilo gab es keine Frau außer Karo. Und das war schon so, als sie noch gar nicht seine Frau war.
„Nein, d as würde er nie tun“, wiederholte sie im Brustton der Überzeugung, während
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