Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
mal interessieren, wann Gearóid erfahren hat, dass Máirtín ihre gemeinsame Schwester geschwängert und umgebracht hat.“
„Als Familienoberhaupt der Callaghans hat er die Unterhaltsforderungen an Mat gestellt “, erinnerte sich Ean. „Gearóid ist clever und nicht mit Blindheit geschlagen. Ich wette, der steckt ganz tief in der Sache mit drin.“
„Was wir ihm kaum nachweisen können, da er der einzige noch Lebende der Familie Callaghan ist“, gab der garda zu bedenken.
„ Nach den missglückten Anschlägen auf Matt’n und mich hatte Gearóid bestimmt die Nase voll von Máirtíns Eskapaden und hat seinen Bruder kurzerhand aus dem Weg geräumt, bevor der noch mehr Mist verzapfen konnte.“
„Warum hat er ihn dann nicht einfach bei der Polizei angezeigt? Wäre für ihn doch wesentlich risikoloser gewesen.“
„Weil er selber Dreck am Stecken hat!“
„Wir müssen abwarten …“
„Und in der Zwischenzeit mach t sich der Tänzer aus dem Staub!“, unterbrach Suse Ronan ungehalten.
Der garda ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schüttelte den Kopf. „Das wird er nicht. Wir kümmern uns um ihn, vertrau mir.“
Stunden später zerrte die Erschöpfung wie ein trotziges Kind an ihren Gliedern. Sie brauchte Ruhe, dennoch zögerte Alicia die Entscheidung, endlich ins Bett zu gehen, weiter hinaus. Den ganzen Tag über hatte sie sich mit der Vergangenheit beschäftigt. Sie wusste genau, die Erinnerungen würden sie heimsuchen, sobald sie die Augen schloss und dem Schlaf die Tür öffnete. Denn dann hatte sie ihre Gedanken nicht länger unter Kontrolle und die Träume würden über sie herfallen.
Und Manuel, der ihr während der vergangenen Nächte Geborgenheit geschenkt und für sie da gewesen war, hatte sich von ihr abgewandt. Keine Träume, befahl sie ihrem Unterbewusstsein, als sie unter die Decke schlüpfte und die Augen schloss, die nach stundenlanger Arbeit vor dem Monitor trocken waren und brannten.
Sie wehrte sich verzweifelt und versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien, doch die Schlange hatte sich an ihr festgebissen und ließ sich nicht abschütteln. Sie schlug um sich, weil sie kaum noch Luft bekam, so eng hatte sich das armdicke Reptil um ihre Brust gewunden. Sie schrie hoch und schrill auf, sie schrie, bis ihr die Kehle schmerzte, nach ihrem Vater, der sie schon einmal gerettet hatte. Er kam nicht. Er konnte sie nicht hören. Er wollte sie nicht hören und retten. Er hatte sie allein gelassen, sodass sie sterben würde.
„Nein !“ Schreiend fuhr sie aus dem Schlaf, zitterte unkontrolliert, schweißnass geschwitzt und trotzdem frierend. „Bitte nicht. Großer Gott, nicht schon wieder.“
Viel zu langsam tauchte sie aus der Hölle ihrer Träume auf. Als sie die Augen öffnete und ihr Blick durch das geöffnete Fenster hinaus auf den Park und den sternenübersäten Himmel fiel, atmete sie zittrig aus. Die vertraute Umgebung gab ihr die Gewissheit, in Sicherheit zu sein, und langsam beruhigte sich ihr trommelnder Herzschlag.
Immer noch am ganzen Körper schlotternd stand sie auf, hüllte sich in den Morgenmantel ihrer Mutter und tapste auf wackligen Beinen ins Bad, wo sie sich Wasser übers tränennasse Gesicht laufen ließ und einige Schlucke trank. Alle Kraft war verbraucht im Kampf gegen ihre Träume und sie sank in der Ecke in sich zusammen. Sie schlang ihre Arme um die Knie und legte die Stirn darauf. Aber gegen das übermächtige Zittern ihrer Glieder konnte sie nichts tun und auch ihre Zähne schlugen laut klappernd aufeinander, ohne dass sie es verhindern konnte.
„Alicia? Alicia, wo bist du?“
Sie hörte eine Stimme wie eine Wand durch Watte an ihr Ohr wabern, zähflüssig und seltsam gedämpft. Doch sie hatte einfach nicht die Kraft für eine Antwort.
„Alicia, bist du im Bad?“
Die Stimme wurde deutlicher und sie hörte, wie die angelehnte Badtür aufgestoßen wurde und gleich darauf jemand aufkeuchte und sich vor ihr auf die Knie niederließ. Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, wich sie schluchzend zurück.
„Alicia, was ist passiert?“
Sie hob den Kopf und sah Manuel durch den tränennassen Schleier vor ihren Augen an. Er war kreidebleich. Die Besorgnis in seinem Blick machte ihr Angst, wenngleich sie auch etwas Beruhigendes an sich hatte. Sie senkte die Lider und spürte gleich darauf, wie er sie auf seine Arme hob und aus dem Bad trug.
„Warum hast du mich allein gelassen? “
Ihre ausdruckslose Stimme war für ihn wie ein Hieb
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