Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
entführen, nicht wahr? Das wollte er bestimmt nicht, denn dann wäre er doch längst auf und davon gewesen und hätte nicht hier in aller Seelenruhe auf uns gewartet. Was, denkst du, hat er mit dieser Aktion wirklich beabsichtigt? Worüber habt ihr geredet?“ Noch während sie ihn das fragte, wurde ihr bewusst, dass Gearóid in ihrem Beisein kein Wort gesprochen hatte.
„Er wollte provozieren. Herausfordern. Keine Ahnung, weshalb.“
„Mir ist dieser Kerl nicht geheuer. Wer hat behauptet, er wäre jahrelang nicht in Killenymore gewesen? Und nun habe ich ihn schon zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit auf Sean Garraí gesehen. Uneingeladen. Und das Abzeichen seines Bruders lag auf dem Hügel, obwohl Máirtín seit zwanzig Jahren verschwunden ist. Allmählich glaube ich nicht mehr an Zufälle.“
„Manuel muss zur Polizei gehen und Callaghan anzeigen. An draíocht ist sehr wertvoll. Und dieser Callaghan gefällt mir nicht. Er faselte etwas von einem Angebot, dass er Clausing – ich denke, er meinte Manuel damit – für An draíocht machen will. Es wäre eine Frage des Preises und dass Manuel ihm sogar dankbar wäre dafür.“
„Hört sich nach Erpressung an .“
„ Was soll Callaghan mit Manuel zu schaffen haben?“
Nicht mit Manuel, wurde Alicia in dieser Sekunde alles klar. Erpressung. Könnte es nicht Callaghan gewesen sein, der ihr aufgelauert hatte, um sie mit seinem Wissen über ihre Aktivitäten im Internet zu erpressen? Die Größe stimmte und ihr Angreifer war ebenfalls schlank wie Callaghan gewesen.
„ Hast du seine Augen gesehen? Ist dir daran etwas aufgefallen?“
Danilo senkte die Lider, um sich zu konzentrieren. „Ihre Farbe“, murmelte er schließlich.
„Genau. Ein rauchiges Grau. Ich muss mich umhorchen, ob jemand Callaghan allein aufgrund seiner Augenfarbe erkennen würde.“
Nachdem Ronan McCauley wenig später ihre Aussagen aufgenommen hatte, eilte Alicia erleichtert in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Sie wusste, niemand würde ihre Suite betreten, wenn sie es nicht wünschte, doch sie hatte es sich zur Gewohnheit werden lassen, auf bestimmten Gebieten doppelte Vorsicht walten zu lassen. Niemand sollte unwissentlich in diese Sache hineingezogen werden, der sie sich jetzt in aller Ruhe annehmen musste.
Z u ihrer großen Verwunderung hatte Danilos Freund nicht bloß den Namen eines Zugangsberechtigten herausgefunden, sondern obendrein dessen Passwort. Jetzt konnte sie nichts anderes als hoffen, dass dieser Unbekannte tatsächlich vertrauenswürdig war und ihr keine Falle stellen wollte. Die Warnung, die Danilo ihr in seinem Namen hatte zukommen lassen, war eindeutig gewesen und sie selber klug genug, um sie gebührend ernst zu nehmen.
Sie holte ein letztes Mal tief Luft, bevor sie entschlossen die Enter -Taste drückte. Obwohl sie sich des Risikos bewusst war, würde sie niemals vor der Zielgeraden aufgeben.
Ihr e Augen überflogen das Inhaltsverzeichnis, das sich geöffnet hatte, und sie dankte ihrem unfreiwilligen Helfer für die akribische Ordnung und dafür, dass er darauf verzichtet hatte, den Inhalt zu codieren. Es dauerte allerdings nicht lange, bis sie erkennen musste, dass die Datei viel zu umfangreich war, um sie erst in Ruhe durchzulesen und daraufhin zu entscheiden, was wirklich von Bedeutung für sie sein könnte. Allein die Informationen zu den von Frithjof Peters ausgebildeten Männern füllten mehrere Seiten. Und die Daten seiner Einsätze erst noch! Da sie auf einen Download verzichten musste, tippte sie die Druckbefehltaste und schickte Seite um Seite vom Bildschirm direkt zum Drucker.
S päter, weit über dem zeitlichen Limit, das sie sich selbst zu ihrer Sicherheit gesetzt hatte, ließ sie das Tarnprogramm durchlaufen in der Hoffnung, es würde auch dieses Mal seinen Zweck erfüllen und sämtliche Spuren beseitigen, welche ihre Gegenspieler zu ihrem Computer führen könnten. Und wie jedes Mal fühlte sie sich danach vollkommen erschöpft und wie erschlagen von der Anspannung, die sie bei diesen verbotenen Ausflügen begleitete.
Wirst du dabei erwischt, werden sie dich bis ans Ende der Welt jagen, hatte Danilo gewarnt. Sie fürchtete nicht um ihr Leben, bestimmt nicht, gleichwohl benötigte sie nach derlei Aktionen immer eine Weile, ehe sie sich in einem Spiegel wieder in die Augen sehen konnte. Selbst die Tatsache, dass sie mit ihrem Wissen niemandem schaden würde, änderte nichts an ihrem schlechten Gewissen. Fakt war, sie
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